© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Besseres als zu Hause findet sich nirgendwo
Ein astrobiologischer Forschungsüberblick zur Suche nach außerirdischem Leben
Ludwig Mühleisen

Wenn die Folgen des „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“, vor denen seine Kritiker warnen, auch nur annähernd eintreten, dürfte es in Deutschland und Europa sehr ungemütlich werden (JF 47/18). In diesem Teil der Welt ginge es dann zwar nicht so lebensfeindlich zu wie auf den der Erde benachbarten Planeten unseres Sonnensystems, aber so vorzivilisatorisch, daß menschenwürdiges Dasein für das Gros der Europäer unerreichbar wäre.

Den Umgang mit ihrem Heimatplaneten sollte sich die Menschheit deswegen nicht nur aus ökologischen Gründen sehr gut überlegen. Denn „es gibt in unserem Sonnensystem mit Sicherheit keinen anderen Himmelskörper, der menschlichem Leben zuträglicher wäre als die Erde.“ So lautet die Botschaft, die der Mikrobiologe und Wissenschaftsautor Johannes Sander als Fazit aus einer 50 Jahre währenden Suche nach außerirdischem Leben zieht. Die Milliardensummen für die nach extraterrestrischem Leben forschende Astrobiologie, sie seien kein hinausgeworfenes Geld, wenn sich herausstellen sollte, daß außerhalb der Erde im Sonnensystem kein Leben existiert. Denn diese „wichtige Erkenntnis wird uns motivieren, unseren eigenen Planeten höher zu schätzen“ (Naturwissenschaftliche Rundschau, 10/18).

Einstiges Marswasser ist längst ins Weltall entwichen

Was Sanders umfangreicher Forschungsüberblick resümiert, ist aber keine Erfolgsgeschichte. Selbst die heißesten Kandidaten für früheres und gegenwärtiges Leben, der Mars und Monde von Gasriesen, bei denen ein Ozean unter ihrer Oberfläche schlummern soll, haben die Erwartungen bisher enttäuscht. Längst ausgeschieden ist die Venus: Die inzwischen präzise erkundeten extremen Bedingungen, mit Temperaturen auf der Venusoberfläche von 460 Grad Celsius sowie einem Atmosphärendruck, der dem 92fachen des irdischen entspreche, schlössen dort eine dauerhafte Existenz von Leben praktisch aus.

Wenn Astrobiologen von Leben sprechen, dann meinen sie Mikroorganismen. Das sind mit extremen Bedingungen zurechtkommende Lebewesen. Wie etwa der im Kühlwasser von Kernkraftwerken nachgewiesene strahlentolerante Extremophilentyp Deinococcus radiodurans, der kurzzeitig bis 17.500 Sievert verträgt, während ein Mensch maximal sechs Sievert überlebt. In Wüsten und Gletschern können Mikroorganismen und selbst manche Mehrzeller lange in einem Ruhezustand ausharren, bis die Bedingungen für sie wieder günstiger werden. Die Rekordhalter überleben im Steinsalz bis zu 280 Millionen Jahre.

Die größte öffentliche Aufmerksamkeit beschert der Astrobiologie die Erkundung des Mars, seitdem der Nasa-Rover „Curiosity“ im August 2012 auf dem roten Planeten abgesetzt worden ist. Die Daten der bisher im äquatornahen, etwa 3,8 bis 3,6 Milliarden Jahre alten Gale-Krater gesammelten und untersuchten Proben stützen indes lediglich die Hypothese, daß der Planet in einer früheren Entwicklungsphase über flüssiges Oberflächenwasser, vielleicht über Regen und permanent wasserführende Seen und Ozeane verfügte. Möglicherweise wechselten sich auch warmfeuchte und kalttrockene Perioden ab.

Der Gale-Krater selbst gilt als Zeugnis einer feuchten Periode. In seinem Zentrum dürfte sich ein von Flüssen gespeister See befunden haben. Doch ein großer Teil des Wassers ist über die Marsatmosphäre ins All entwichen oder wurde im Basaltgestein des heutigen Wüstenplaneten gebunden, das aufgrund seines höheren Eisenoxidgehalts mehr Wasser aufnehmen kann als irdischer Basalt. Wahrscheinlich sei der Mars seit etwa 4,2 Milliarden Jahren trockner als die Erde.

Vorstufen von Leben auf dem Jupitermond Europa?

Die 2003 gestartete „Mars-Expreß“-Sonde der Weltraumagentur ESA fand erste Hinweise auf einen großen, minus 70 Grad kalten, eventuell Perchlorat enthaltenden Salzsee, ungefähr 1,5 Kilometer unter dem Mars-Südpol. Hinweise, die allerdings noch einer Bestätigung bedürfen. Zudem begegnete die Sonde Bodennebel und Eiswolken. Die Frage, ob es genügend Wasser für Leben auf dem roten Planeten gibt, sei damit aber nicht beantwortet. Die „Wasserfrage“ bleibe somit Gegenstand anhaltender wissenschaftlicher Diskussion.

Unumstritten ist hingegen, daß die gegenwärtigen mittleren Druck- und Temperaturverhältnisse kein flüssiges Wasser auf der minus 60 Grad kalten Marsoberfläche zulassen. Trotzdem könnten dort, wie Versuche unter simulierten Marsbedingungen bewiesen haben, Mikroorganismen, wie Pilze und Flechten, überleben. Nur hat sie der Nasa-Rover bislang nicht entdeckt, genausowenig wie eindeutige Fossilien oder Biosignaturen, die auf früheres Leben hindeuten. Die US-Marspioniere würden überdies nicht noch einmal der Versuchung erliegen, voreilig zu jubeln, so wie 1996, als man die vermeintliche Entdeckung fossiler Lebensspuren auf einem Marsmeteoriten verkündete.

Neben dem Mars erregten zuletzt der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus erhöhtes astrobiologisches Interesse. Europa, ein schon von Galileo Galilei beschriebener Mond mit einem Durchmesser von 3.121 Kilometern, gibt sich äußerlich noch abweisender als die Wüstenei des Mars. Ihn bedeckt eine glatte, mehrere Kilometer dicke Eisschicht. Deren Strukturen deuten auf anhaltende, „geologisch aber keineswegs gesicherte Aktivität“ des Mondes hin. Unter dem Eispanzer wird ein rund 100 Kilometer tiefer, minus drei Grad kalter Ozean vermutet, der das bis zu dreifache Volumen aller irdischen Weltmeere aufweist. Da Leben nicht unbedingt Sonnenlicht benötigt, könnte es in diesem mutmaßlichen Ozean wenigstens Vorstufen von Leben geben.

Ähnliche Verhältnisse herrschen auf dem Enceladus, dessen Durchmesser nur 500 Kilometer beträgt. Brüche und Verwerfungen auf seiner relativ jungen, mit Wassereis bedeckten Oberfläche weisen ebenfalls auf geologische Aktivität hin. Auch hier scheint unter der gesamten Oberfläche ein Ozean aus Salzwasser zu liegen. Die Cassini-Huygens-Sonde registrierte mehrere Wärmeanomalien unter dem Südpol des Mondes, die auf ein Versickern des Ozeans in den Untergrund von Enceladus deuten. Auch hier legen solche Prozesse den Schluß nahe, daß sich „zumindest Vorstufen von Leben entwickelt haben könnten“.

Während sich die Theorien über extraterrestrisches Leben bei Europa und Enceladus auf Satellitendaten stützen, gibt es für die Jupitermonde Ganymed und Kallisto oder den Saturnmond Dione nur Vermutungen darüber, ob deren Eispanzer signalisiert, daß sie über größere Reservoire von flüssigem Wasser verfügen. Ungeachtet einer Bestätigung dieser Annahmen, spreche wenig für Existenz von Leben.

„Astrobiologie – Extraterrestrisches Leben in unserem Sonnensystem?“, in der Naturwissenschaftliche Rundschau, 10/18:  www.naturwissenschaftliche-rundschau.de





Fremdes Raumschiff Oumuamua?

Das 2017 im Sonnensystem entdeckte und als Asteroid oder Komet klassifizierte Weltraumobjekt „Oumuamua (1I/2017 U1)“ könnte eine via Sonnensegel (Lightsail) angetriebene Raumsonde sein. Da die Menschheit nichts Derartiges hat, müßte es von einer außerirdischen Intelligenz stammen. Die These vertraten die Astronomen Abraham Loeb und Shmuel Bialy im Magazin Astrophysical Journal Letters. Die meisten Fachkollegen äußerten sich skeptisch. Loeb, seit 2011 Chef des Harvard Astronomy Department, beharrt nicht darauf, recht zu haben, aber Oumuamua habe eine extreme Form. „Basierend auf dem reflektierten Sonnenlicht, scheint es um einen Faktor fünf bis zehn deutlich länger als breit zu sein. Und es wird von einer Kraft zusätzlich zur Schwerkraft der Sonne angeschoben“, erläuterte er in der Zeit. „Mein Ziel ist es, die Wahrheit zu finden, nicht Aufmerksamkeit zu erregen.“

„Could Solar Radiation Pressure Explain Oumuamua‘s Peculiar Acceleration?“, in Astrophysical Journal Letters, 868/1/2018:  iopscience.iop.org