© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Debatte über Homo-Ehe
Geschrei statt Wissenschaft
Jürgen Liminski

Am lautesten war wieder Claudia Roth. Die Vizepräsidentin des Bundestags, die von Amts wegen würdevoll auftreten sollte, polemisierte „betroffen“ gegen Bildungsministerin Anja Karliczek, weil diese eine Langzeitstudie über die Auswirkungen auf Kinder wünschte, die von gleichgeschlechtlichen Paaren erzogen werden. Roth war freilich nur eine von vielen Stimmen im rot-rot-grünen Lager der Empörten. Aber nach zwei Tagen war der Spuk plötzlich vorbei. Schweigen. 

Eigentlich hätten jetzt Argumente folgen müssen. Aber es gibt keine, so wie es keine Langzeitstudie gibt. Nur die Diskriminierungskeule zu schwingen reicht nicht. Da schweigt man besser, bevor eine Debatte in Gang kommt, die den gläsernen Lendenschurz der Empörten offenbart. 

Der Bildungsministerin ist zu danken. Auch für die Bemerkung von der Verschiebung der ganzen Gesellschaft durch die „überstürzte“ Einführung der Homo-Ehe. Große Sozialanthropologen wie Claude Lévi-Strauss haben in jahrzehntelanger Forschung das „konjugale Prinzip“ (zwischen Mann und Frau) als familiäre und soziale Achse der Menschheitsgeschichte ausgemacht. Alles andere seien „Sonderwege“, Randerscheinungen. Dazu gehört auch die Homo-Ehe. Ihre Aufwertung verschiebt die Achse. Das hat mit Diskriminierung nichts zu tun, aber viel mit Zivilisation und Wissenschaft. Hier hat die politische Debatte dringenden Nachholbedarf.