© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Unverständliche Botschaften
CDU-Regionalkonferenzen: Merz stellt Asylregelung in Frage / „AKK“ befürwortet UN-Migrationspakt
Hinrich Rohbohm

Zunächst haben sie sich vorsichtig abgetastet. Jetzt wird der Ton der drei aussichtsreichen Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz deutlicher. Doch auch nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn den Großteil ihrer Regionalkonferenzen-Tournee absolviert haben, ist ein klarer Favorit nicht auszumachen. „Von ihren Reden her haben sie mich alle überzeugt“, faßt ein Besucher der Regionalkonferenz im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein seine Eindrücke gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zusammen. Viele in der CDU sehen das ähnlich. Auch auf den anderen Veranstaltungen, in denen sich das Trio der Basis stellte. 

Doch schon an den Beifallsbekundungen läßt sich erahnen, daß sich auf dem Bundesparteitag am 7. Dezember ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer entwickelt. Auch die Demoskopen sehen beide vorn. Nachdem die Kandidaten in Lübeck und auch noch im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein noch mit Äußerungen auffielen, die die CDU-Mitglieder eher nicht von ihnen erwartet hatten, sollte sich dies auf den späteren Regionalkonferenzen deutlich ändern. 

Wegen der Wahl des Ortes brodelt die Gerüchteküche

„AKK“ stellt sich nun hinter den von Angela Merkel verteidigten UN-Migrationspakt, Merz und Spahn äußern dagegen Bedenken. Merz kritisiert jetzt, daß die Unionsführung den Aufstieg der AfD mit einem „Achselzucken“ hingenommen habe, „AKK“ wiederum bezeichnet eine solche Aussage als „Schlag ins Gesicht der CDU“. Spätestens hier ist die Zeit des Taktierens und des Abtastens vorbei. Abseits des Podiums war sie das schon lange.

Bereits die Entscheidung, die Auftaktveranstaltung in Lübeck abzuhalten, sahen Anhänger von Friedrich Merz als Vorteil für die CDU-Generalsekretärin. Die Hansestadt liege schließlich in Schleswig-Holstein, dem Landesverband des linkslastigen Unions-Ministerpräsidenten Daniel Günther. Der könnte für „AKK“ mobilisieren und ihr so zu einem gelungenen Start in die achtteilige Regionalkonferenzen-Serie verhelfen, so die Befürchtung im Merz-Lager. Tatsächlich gelingt es der Saarländerin in der Hansestadt trotz nervöser Anfangsmomente mit einer guten Rede die Sympathien der Mitglieder zu gewinnen. Doch der Jubel für Friedrich Merz sollte noch deutlicher ausfallen. Auch über die Auswahl von Idar-Oberstein als zweiten Konferenzort brodelt in der CDU die Gerüchteküche. 

Die Planungen des Konrad-Adenauer-Hauses hatten ursprünglich die Landeshauptstadt Mainz dafür vorgesehen. Ganz in der Nähe des als konservativ geltenden Landesverbandes Hessen, der sich gleich auf der anderen Seite des Rheins befindet. Ein Vorteil für Friedrich Merz? „Es hatten sich sehr viele Leute aus Hessen angemeldet, aber nur wenige aus dem Saarland“, erzählt ein Unionsfunktionär der jungen freiheit. Idar-Oberstein hingegen liegt in unmittelbarer Nähe des Saarlandes. Dem Heimatverband von Annegret Kramp-Karrenbauer, der sich schon frühzeitig für sie als neue Parteivorsitzende ausgesprochen hatte. Durch die Verlegung des Veranstaltungsortes ins deutlich weiter entfernte Idar-Oberstein seien viele hessische Mitglieder zu Hause geblieben. Dafür hätten sich nun um so mehr saarländische Parteifreunde angemeldet. 

Tatsächlich bleiben hinten in der Halle von Idar-Oberstein zahlreiche  Stuhlreihen unbesetzt. „Mir kann keiner erzählen, daß sie im Adenauerhaus in der gesamten Mainzer Region keinen passenden Saal finden konnten“, meint ein Merz-Sympathisant aus dem Landesverband Rheinland-Pfalz. Ohnehin hatten die Parteiverantwortlichen für die Hessen eine andere Regionalkonferenz vorgesehen: die Gemeinde Seebach im thüringischen Wartburgkreis. Ein Ort ohne Bahnhof am Rande des Thüringer Waldes. „Es ist schon sehr verwunderlich, daß wir acht Regionalkonferenzen haben, aber in einem großen Landesverband wie Hessen keine davon stattfindet“, unkt ein Teilnehmer. 

Doch auch unter den AKK-Anhängern kursieren Gerüchte. „Ich habe gehört, Friedrich Merz soll für Nordrhein-Westfalen nur den Parteivorsitz holen, damit Armin Laschet Bundeskanzler werden kann“, verbreiten einige von ihnen in Seebach, während Friedrich Merz selbst auf dem Podium für einen Paukenschlag sorgt, als er das individuelle Grundrecht auf Asyl in Frage stellt. 

Dessen Existenz mache eine einheitliche europäische Asylregelung unmöglich, gibt er zu bedenken. Im Seebacher Klubhaus brandet starker Applaus auf. Zahlreiche Medien interpretieren dies jedoch als Forderung einer generellen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, Merz gerät in die Defensive. 

Einen Tag später, auf der Regionalkonferenz in Halle, stellt der 63jährige klar: „Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl. Punkt.“ Fragende Gesichter unter den Mitgliedern in der Messehalle, verhaltener, zögerlicher Beifall. In Halle, beim Landesverband Sachsen-Anhalt, zu dessen Regionalkonferenz auch der konservative Landesverband Sachsen geladen ist, wünschen sich viele der 400 erschienenen Mitglieder gerade in der Migrationspolitik eine deutlichere Ansage. Doch weder Friedrich Merz noch Jens Spahn gelingt es an diesem Abend, den richtigen Nerv der Mitglieder treffen. Zu verschachtelt sind ihre Sätze, zu unverständlich die Botschaft. Entsprechend verhalten ist der Applaus. „Warum drucksen die denn bei dem Thema so herum“, fragt ein Mitglied seinen Sitznachbarn. 

Annegret Kramp-Karrenbauer positioniert sich klarer, stellt sich hinter den UN-Migrationspakt. Im Gegensatz zu Spahn und Merz trifft sie einen Nerv der Basis. Jedoch den falschen. Buh-Rufe gegen die CDU-Generalsekretärin sind die Quittung.Bei der Auftaktveranstaltung in Lübeck war die Migrationspolitik noch nicht mal ein Thema. Im Verlauf der weiteren Konferenzen gerät jedoch  vor allem der UN-Migrationspakt zunehmend in den Fokus der Mitglieder. In Halle diskutierten sie sogar über fast nichts anderes. Entsprechend alarmiert ist man im Adenauerhaus. 

So soll nun – entgegen früherer Absichten der Parteispitze – der CDU-Parteitag in Hamburg über den UN-Migrationspakt debattieren und einen entsprechenden Entschließungsantrag der Unionsfraktion im Bundestag (siehe unten) unterstützen.