© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Ist die soziale Marktwirtschaft zukunftsfähig?
Geld und Glaube: Beim 73. Walberberger Buß- und Bettagsgespräch diskutierten die Teilnehmer unsere Gesellschaftsordnung
Mathias Pellack

Das Schlechte an der Zukunft ist, daß keiner weiß, wie sie wird“, sagt Pater Wolfgang Ockenfels beim 73. Walberberger Buß- und Bettagsgespräch in der Stadthalle Bad Godesberg, Bonn. Der stellvertretende Vorsitzende des Walberberger Instituts überspannt mit diesem Einführungssatz die interkonfessionelle Konferenz zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft.

Dabei ist das Thema alles andere als einfach. Immerhin ist die Leitfrage „Hat die Soziale Marktwirtschaft ausgedient?“ Das mit dem Namen Ludwig Erhard verbundene Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell präsentieren die Redner Elmar Nass, Alfred Schüller und Philip Plickert als Zukunftsmodell. Auch wenn der FAZ-Redakteur Plickert, gefragt nach einer Partei, die sich heute noch für die soziale Marktwirtschaft stark mache, aktuell keine der Großen auf der Spur des Gründervaters der deutschen Nachkriegsordnung sieht, herrscht zumindest unter dem ergrauten Publikum Einigkeit, daß sie eine gute Ordnung war – vielleicht noch ist –, sicher aber wieder sein könnte.

Der Wirtschaftsethiker, Sozialphilosoph und katholische Priester Elmar Nass skizziert die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft. Der Mensch im christlichen Sinne sei die Basis und biete so eine Möglichkeit, die in Deutschland über 70 Jahre erfolgreiche Wirtschaftsordnung auch in andere europäische Staaten zu exportieren und gleichzeitig Frieden zu garantieren.

„Was wir haben, ist ein  fetter und schwacher Staat“

Die Grundlage dafür sei eine strukturelle Verantwortungsethik. „Soziale Marktwirtschaft ist kein Selbstläufer“, warnt Nass. Schon der englische Ökonom Adam Smith habe die Notwendigkeit erkannt, die Verantwortung dem einzelnen zu überlassen. „Planwirtschaft ist schon von der Idee her zum Scheitern verurteilt. Wer soll Innovationen nach Vorgaben erfinden?“ Gleichzeitig lehnt Nass einen radikalen Liberalismus ab. Denn auch hier würden Menschen zweiter Ordnung geschaffen. Er erkennt die Bedeutung einer starken Begründung der sozialen Marktwirtschaft. „Im Habermaasschen freien Diskurs wäre selbst die Menschenwürde diskutabel.“

Alfred Schüller, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Marburg, findet, die Sozialpolitik müsse die Wirtschaftspolitik beflügeln, genauso wie es andersherum geschehen solle. „Hartz IV ist in einiger Hinsicht ein Privileg.“ Es sei eine wirtschaftliche Sicherheit, die die Gesellschaft dem einzelnen gewähre.

Aber eine „großartige Vergangenheit garantiert keine ebenso großartige Zukunft“, fügt Plickert hinzu. Der Solidaritätsgedanke dürfe nicht über den der Subsidiarität gestellt werden. Nötig sei ein schlanker, starker Staat. „Was wir aber haben, ist ein schwacher und fetter Staat.“ Der Herausgeber des Sammelbandes „Merkel. Eine kritische Bilanz“ hofft auf die Digitalisierung. Dadurch könnten neue Arbeitsplätze entstehen und gleichzeitig die Bevölkerungsentwicklung ausgeglichen werden.

Daher seien hier zusätzliche Gelder nötig. Gleichzeitig würde damit das Argument des „Fachkräftemangels“ abgeschwächt werden, mit dem Wirtschaftsverbände für verstärkte Einwanderung geworben hatten. Er zitiert den britischen Autor Douglas Murray, der in dieser Politik einen Selbstmord Europas erkannt hat. Die zentralistische Wirtschaftsunion Europas betrachtet Plickert kritisch. „Das Argument, die EU sei ein Bollwerk gegen China, ist falsch. Pluralismus und Wettbewerb waren in der Geschichte die größten Stärken Europas.“

Die Buß- und Bettags-Gespräche des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg:  institut-walberberg.de