© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Aufrechte, schart euch zusammen!
Der konservative US-Publizist Rod Dreher über das Christsein in einer säkularisierten Umgebung
Werner Olles

Im Jahr 2017 erschien Rod Drehers „The Benedict Option“ in den USA im renommierten Penguin Random House Verlag und erregte schon bald großes Aufsehen. Doch es löste nicht nur kontroverse Diskussionen aus, sondern gab auch theoretische und praktische Anstöße zur Bildung einer christlichen Gegenkultur gemäß seinem deutschen Untertitel „Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft“. 

Zwar hatte Dreher in erster Linie ein US-amerikanisches Publikum vor Augen, doch die Probleme, die der Autor, christlich-konservative Vordenker und Kolumnist des Magazins The American Conservative beschreibt, dürften auch Christen in Europa bekannt sein. Der Säkularismus der Moderne, der sich vornehmlich in einem radikalen Individualismus und einer Kultur des Relativismus – die jedes Verständnis dafür verloren hat, was es heißt, Christ zu sein – äußert, hat den „Kulturkampf“ gegen ein traditionelles, geschichtsbewußtes Christentum – gleich ob katholisch, orthodox oder lutherisch – auf allen Ebenen gewonnen. Abtreibung, Homo-Ehe und Gender-Ideologie, von staatlicher Seite alimentiert und den Massenmedien hofiert, mögen als Beweis genügen. 

Dreher plädiert daher für einen strategischen Rückzug, den er als „Benedikt-Option“ bezeichnet. Wie der heilige Benedikt, der Vater des westlichen Mönchtums im 6. Jahrhundert, auf den Zusammenbruch der antiken römischen Zivilisation mit der Gründung einer Ordensgemeinschaft reagierte, sollen christliche Konservative in den USA nicht länger nach dem Motto „business as usual“ leben, sondern „kreative, gemeinschaftsorientierte Lösungen entwickeln“ und an ihrem Glauben und ihren Werken festhalten in einer Welt, die ihnen immer feindseliger gegenübersteht. Assimilation komme nicht in Frage, vielmehr gehe es um „einen entschlossenen Sprung in eine wirklich gegenkulturelle Weise, das Christentum zu leben“.

Kirche nur mehr in Zirkeln von engagierten Gläubigen

In diesem Zusammenhang zitiert er Papst Benedikt XVI., der eine Welt voraussagte, „in der die Kirche in Zirkeln von engagierten Gläubigen leben wird, die den Glauben intensiv leben, und die in gewisser Weise vom gesellschaftlichen Mainstream abgekoppelt sein müssen, um an der Wahrheit festzuhalten“. Tatsächlich ist die spirituelle Krise, die den Westen ergriffen hat, die gravierendste seit dem Untergang des Römischen Reiches gegen Ende des 5. Jahrhunderts. „Das Licht des Christentums ist überall im Westen am Verlöschen“, schreibt der Autor, man habe an allen Fronten verloren gegen „die rasanten und unerbittlichen Ströme des Säkularismus“, was sich im Zusammenbruch der natürlichen Familie, dem Verlust tradierter moralischer Normen und der Fragmentierung der Gesellschaft äußere. Zwar wurde dies von einer kleinen linksgerichteten Elite betrieben, doch habe der Mainstream diese Entwicklung unterstützt, wenn nicht aktiv, dann passiv durch feiges Schweigen.

So pessimistisch die Lage auch ist, Drehers „Benedikt-Option“ ist alles andere als defätistisch. So sieht er im Aufbau überkonfessioneller Beziehungen eine Strategie, dem christenfeindlichen Ungeist wirksam zu begegnen. Konservative Evangelikale, traditionelle Katholiken und Orthodoxe haben miteinander mehr Gemeinsamkeiten als mit den Liberalen ihrer jeweils eigenen Konfession – so seine These. Eine gemeinsame Front gegen Atheismus und Säkularismus, bei gleichzeitigem Respekt gegenüber Unterschieden, führe zu der Überzeugung: „Wir alle stehen gemeinsam in einem Kampf mit der Welt.“ Das Christentum als Zusammenfluß von hebräischer Religion, griechischer Philosophie und römischem Recht sei dem Barbarismus einer radikal kulturlosen Zeitgenossenschaft spirituell und intellektuell haushoch überlegen. 

Daher gehe es auch um die Gründung klassisch-christlicher Schulen, in denen nicht nur die große abendländische Tradition, ihre Literatur und Kunst gelehrt werden, sondern die Institutionen Familie, Kirche und Schule miteinander in Einklang gebracht werden. Er plädiert für eine Wirtschaftsform des Distributismus, die auf der katholischen Soziallehre aufbaut und die bereits der Konvertit G. K. Chesterton und sein Freund Hilaire Belloc favorisierten. Mit der Gemeinschaft „Communio et Liberazione“ (CL) ist über die lokale und nationale Ebene in Italien hinaus eine weltweite Bewegung aus kleinen und mittelgroßen Betrieben entstanden, die als christliches Netzwerk engagiert die katholischen Grundsätze im Wirtschaftsleben befolgt. Die Wiederentdeckung des Handwerks sieht Dreher für traditionell gesinnte Christen ebenfalls als eine gute Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch räumliche Zusammenschlüsse Gleichgesinnter könnten für eine neue christliche Gegenkultur sinnvoll und nützlich sein.

Drehers Buch schließt mit einem Besuch bei der „Tipi Loschi“, einer rechtgläubigen gegenkulturellen Gemeinschaft in Italien, die die „Benedikt-Option“ vollkommen verwirklicht hat: Hier habe man nichts erfunden und nichts Neues entdeckt, „sondern bloß eine Überlieferung, die in einem alten Pappkarton verräumt und vergessen worden war“.

Rod Dreher: Die Benedikt-Option. Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2018, 397 Seiten, gebunden, 19,95 Euro