© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Ländersache: Niedersachsen
Haste mal ’n Euro?
Paul Leonhard

Immer diese Welfen. Vor dreizehn Jahren erst verschreckten sie die deutsche Öffentlichkeit, als sie einen Großteil ihrer Kunstschätze versteigerten, die Hälfte davon ins Ausland: rund 20.000 Objekte für 44 Millionen Euro. Und jetzt Schloß Marienburg bei Pattensen, das Neuschwanstein des Nordens. Dabei waren die in der Kunstauktion erlösten 44 Millionen Euro eigentlich für dessen Erhalt bestimmt.

Der Sanierungsbedarf für die marode Anlage wird vom niedersächsischen Kultusministerium aktuell auf 27 Millionen Euro geschätzt. Zuviel für die Welfen. Für einen symbolischen Euro verkaufte Investmentbanker Ernst August von Hannover die Marienburg nun an die öffentliche Hand. Dabei hatte der 35jährige mit dem Schloß „sehr, sehr viele Pläne“, als er anläßlich seiner Hochzeit mit Ekaterina Malysheva nach Herrenhausen zog. Damals versicherte er der Bild-Zeitung, das Schloß sei „mir eine Herzensangelegenheit, ich möchte die Marienburg noch attraktiver machen“.

Auf den ersten Blick ist die neogotische Anlage, die sich am Südwesthang des Marienbergs, rund 20 Kilometer südlich von Hannover erhebt, tatsächlich ein Märchenschloß. Zwischen 1858 und 1867 erbaut, sollte es als Sommerresidenz und späterer Witwensitz dienen und war eine Verneigung an die glorreichste Geschichte von Europas ältestem Fürstenhaus: an das 12. Jahrhundert und den mächtigen Reichsfürsten Heinrich der Löwe. Vor allem aber erfüllte Georg V. von Hannover seiner Gemahlin Marie deren sehnlichsten Wunsch, eine mittelalterliche Burg zu bewohnen. Kaum war der Bau vollendet, kamen die Preußen und strichen das Königreich Hannover von der Landkarte. König und Königin flüchteten nach Österreich. Zurück blieb das Märchenschloß, das zunächst 80 Jahre leer stand und sich dann zu einem Albtraum entwickelte. Königin Marie hatte sich einst so sehr nach einer Höhenburg gesehnt, daß das Schloß dicht an einem verlassenen Steinbruch errichtet wurde. Erosion an den steilen Hängen bedrohen inzwischen die Standfestigkeit der Umfassungsmauern. Überdies wurde 2014 Hausschwamm entdeckt. Schon damals deutete der Erbpinz an: „Es ist ein geliebtes, aber teures Erbe.“ Auf Dauer sei die Last von einer Privatperson allein nicht zu tragen. 

So verkündeten Ernst August von Hannover, der die Schloßanlage sowie den land- und forstwirtschaftlichen Besitz des Hauses Hannover 2004 von seinem Vater geschenkt bekommen hatte, und Niedersachsens Kulturminister Björn Thümler (CDU) die Übernahme des Schlosses durch die Liemak Immobilien GmbH, eine Tochter der landeseigenen Klosterkammer. Das Land will für die Sanierung mehr als 13,6 Millionen Euro bereitstellen, noch einmal die gleiche Summe soll vom Bund kommen.

Gleichzeitig erwarb das Landesmuseum Hannover für zwei Millionen Euro rund hundert wertvolle Stücke aus dem kulturhistorischen Inventar. Weitere Gegenstände im Wert von rund sechs Millionen Euro will Ernst August junior in eine gemeinnützige Kunststiftung einbringen, der er vorstehen wird. Daß sich das marode Schloß jetzt in Landesbesitz befindet, finden weder die Landtagsabgeordneten noch der Bund der Steuerzahler gut. Die einen fühlen sich übergangen, die anderen befürchten enorme Folgekosten. Klar ist nur: Für die Welfen ist es ein guter Deal.