© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Barras Kahlschlag in Detroit
Los Angeles Auto Show: E-Mobilität für Besserverdiener sichert keine Arbeitsplätze
Jörg Fischer

Der Aufstieg von Mary Barra ist Hollywood-tauglich: Tochter eines Automobilarbeiters aus Detroit, Ingenieurausbildung bei General Motors (GM), Stanford-MBA, GM-Vorstand, 2014 erste weibliche Autokonzernchefin, 2017 von Forbes zur fünftmächtigsten Frau der Welt erklärt und mit 21,96 Millionen Dollar vor dem Ford-Chef bestbezahlte Automanagerin sowie in diesem Jahr in die National Academy of Engineering aufgenommen.

Auch Barras „Diversity & Inclusion Report“ ist vorbildlich: GM habe 180.000 Mitarbeiter auf fünf Kontinenten und in 23 Zeitzonen, die 70 Sprachen sprechen. Seit 50 Jahren würden Minderheiten gezielt gefördert und künftig sorge GM mit seinem „diverse-inclusive Team“ für eine Zukunft „ohne Unfälle, Emissionen und Staus“.

Die Realität sieht anders aus: Der 2009 für netto 10,3 Milliarden Dollar vom US-Steuerzahler gerettete Konzern verkaufte 2017 weltweit zwar 9,4 Millionen Autos, machte dabei aber 3,86 Milliarden Dollar Bilanzverlust. Opel und die britische Tochter Vauxhall wurden für 2,3 Milliarden Dollar an die französiche PSA Group verscherbelt. Und kurz vor der Branchenmesse „Los Angeles Auto Show“ kündigte Barra die Entlassung von 14.700 Fachkräften und die Schließung von drei Autofabriken in den USA und von zwei in Kanada an, darunter das legendäre Hamtramck-Werk unweit der Firmenzentrale in Detroit, wo Barras GM-Karriere 1980 begann.

Der Kahlschlag soll bis 2020 etwa 4,5 Milliarden Dollar einsparen und Gelder freimachen für Investitionen in Elektromobilität und selbstfahrende Autos. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. GM-Autos sind bestenfalls mittelmäßig. Vor allem Amerikaner mit „Buy American“-Intention kaufen GM-Fahrzeuge – und dabei in der Regel riesige Pickups und bequeme SUVs. Wer Benzin sparen möchte oder sich wirklich noch in klassische Limousinen hineinzwängen will, wird bei Toyota und Honda mit mehr Qualität und bei BMW oder Mercedes mit höherem Image bedient.

Limousinen und E-Autos sind echte Ladenhüter

Deshalb werden der Opel-Astra-Klon Chevrolet Cruze (Absatzeinbruch: 26,1 Prozent), das auf dem Opel Insignia beruhende Trio Chevrolet Impala/Buick LaCrosse/Cadillac XTS und Cadillacs Edellimousine CT6 2019 auslaufen. Und besonders pikant: Der enge, aber teure Ladenhüter Chevrolet Volt/Opel Ampera wird ersatzlos gestrichen. Zwischen Dezember 2010 und Oktober 2018 wurden keine 150.000 Volt in den USA verkauft. Im selben Zeitraum wuchs der Absatz des Pickup-Duos Chevrolet Silverado/GMC Sierra von 500.000 auf 800.000 – jährlich. Dabei pries Barra die Elektrolimousine mit Benzinmotor zur Stromerzeugung vor drei Jahren auf der Automesse NAIAS in Detroit noch als Zukunftsauto an.

Ob sich der als Tesla-Konkurrent vermarktete, rein elektrisch angetriebene Chevrolet Bolt EV besser verkauft, ist fraglich: Donald Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow kündigte am Montag an, daß die Steuergutschrift in Höhe von 2.500 bis 7.500 Dollar für Käufer von E-Autos spätestens 2021 auslaufen werde. Wer 130.000 Dollar für den E-SUV Tesla X ausgeben kann, wer mit einem Audi e-tron liebäugelt oder auf den „vollelektrischen, hochautomatisierten und vollvernetzten“ BMW Vision iNext warten will, für den sind Subventionen verzichtbar – für ein 35.000-Dollar-E-Mobil von GM aber kaufentscheidend.

Daß aber auch das nun verbleibende GM-Modellangebot nur über den Preis verkauft werden kann, zeigt die „Los Angeles Auto Show“. Bis auf Nischenautos wie die Sportwagen Corvette und Camaro bietet GM keine Alleinstellungsmerkmale. Allenfalls der neue Chevrolet Blazer kann optisch mit der globalen Konkurrenz mithalten. Das oft kaufenscheidende „Buy American“-Argument hat Barra nun zerstört. Der VW Atlas wird in Tennessee hergestellt, die Mercedes G-Klasse kommt aus Alabama, und Toyota hat Werke in Alabama, Kentucky, Indiana, Mississippi, Texas und West Virginia. Und mit seien SUVs aus South Carolina ist BMW der größte US-Autoexporteur. Warum also sollte ein Käufer ein GM-Modell bevorzugen?

Los Angeles Auto Show 2018: laautoshow.com

„GM Diversity & Inclusion Report:  www.gmsustainability.com