© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Außerhalb der Spurrillen
Nachruf: Der Soziologe Jost Bauch ist im Alter von 69 Jahren verstorben
Volker Kempf

Ende voriger Woche noch hatte die JF-Redaktion mit dem Soziologen Jost Bauch Kontakt wegen eines demächst in einem Sammelband erscheinenden Aufsatzes von ihm. Darin bekennt er sich  zu einer konservativen Ökologie. Gern wollten wir eine Kurzform des Beitrags für die JUNGE FREIHEIT übernehmen. Dann am Montag dieser Woche die überraschende Nachricht: Jost Bauch ist gestorben. Er erlag am 2. Dezember im Alter von 69 Jahren einem Herzinfarkt.

Häufig erinnerte sich der in der Fachwelt als Medizinsoziologe bekannt gewordene Bauch an seine Studentenzeit an der Universität Bielefeld zurück und betonte, alle drei Bände von Marx’ und Engels’ „Kapital“ gelesen zu haben. Auch die Frankfurter Schule ging nicht spurlos an ihm vorüber. Einen größeren, vor allem bleibenderen Eindruck sollte aber der konservative Soziologe Helmut Schelsky auf ihn machen, bei dem er Veranstaltungen über die Geschichte der Soziologie besuchte.

Geschult an Schelsky und Arnold Gehlen

An der Universität Bielefeld lehrte auch der von Schelsky entdeckte und geförderte Niklas Luhmann, der einer der Gutachter von Bauchs Dissertation werden sollte. Mit Luhmann konnte Bauch Abstand zu den Verirrungen der Frankfurter Schule gewinnen, setzte sich bis zuletzt mit seiner Systemtheorie auseinander und suchte die konkretere Wirklichkeit im Sinne Schelskys. Die Habilitation erfolgte 1996 bei Horst Baier in Konstanz über Gesundheit als sozialer Code. Baier hatte seinerseits bei Schelsky mit einer Arbeit über Max Weber habilitiert. Fehlt nur noch Arnold Gehlen, den Bauch immer wieder als für ihn besonders wichtig anführte. Damit war Bauch vor allem, wie er selbst immer wieder unterstrich, der „Leipziger Schule“ verbunden, die ein Gegenpol der Frankfurter Schule war.

Im Visier linksradikaler Studenten

Gelehrt hatte Bauch zunächst an der Hochschule Neubrandenburg, und er wurde außerplanmäßiger Professor an der Universität Konstanz. Hier machte Bauch eine Erfahrung, die sein weiteres Wirken nachhaltig prägen sollte. Nachdem er Vorträge bei der Berliner Burschenschaft Gothia und der Bürgerbewegung PRO NRW gehalten hatte, geriet er ins Visier linksradikaler Studenten. „Macht keine Scheine bei braunen Vordenkern“, hieß es auf einem Antifa-Flugblatt. Daß es darum gehen sollte, wer einem zuhört, statt über das Gesagte zu diskutieren, wirkte auf Bauch als Inbegriff der Kleingeisterei, die durch die Universitäten geisterte.

Inhaltlich bewegte sich Jost Bauch nicht in den Spurrillen der vorherrschenden Meinungen, seine Einschätzung zum demographischen Wandel und zur Einwanderungspolitik in der JUNGEN FREIHEIT ließen ihn im Universitätsmilieu anecken. Nicht einmal in einer konservativen Zeitung schreiben zu dürfen, ohne deswegen Ärger zu bekommen, das machte Bauch fassungslos. Das wäre alles halb so schlimm gewesen, wenn die Universitätsleitung sich damals nicht zum verlängerten Arm der Studenten gemacht hätte und in einem zähen Ringen mit Bauch nur keinen Weg fand, ihm die Lehrbefugnis zu entziehen.

Der „Marsch durch die Institutionen“ machte das Universitätsleben für Freigeister wie Bauch unerträglich. Als Institutionentheoretiker wußte er genau, konservative Soziologen, die sich nicht verstecken wollen, brauchen Einrichtungen, um Beständigkeit und Stabilität zu gewinnen. Das Studienzentrum Weikersheim wurde Bauchs neue Lebensaufgabe. 2011 wählten ihn die Mitglieder zum stellvertretenden Präsidenten neben Karl Albrecht Schachtschneider; sie waren nach dem Rückzug des Präsidenten Harald Seubert in die erste Reihe der Verantwortung gerückt. Erst auf der Versammlung vom 7. September 2018 wurden Bauch und Schachtschneider als Präsidenten bestätigt. 

Publizistisch blieb Bauch bis zuletzt rege, in der jungen freiheit war er regelmäßig mit Forum-Beiträgen präsent. Sein letztes Buch „Abschied von Deutschland. Eine politische Grabschrift“ (Kopp Verlag) zeichnet das Bild eines selbstverschuldeten Niedergangs Deutschlands. Die Analyse lag nicht weit von der, die Bauch schon zur Zeit an der Universität Konstanz anstellte, nur kam die neue Dimension der Massenzuwanderung verschärfend hinzu. Bei gleichbleibender demographischer Entwicklung würden im Jahr 2050 Menschen mit Migrationshintergrund die Mehrheit in Deutschland bilden, so Bauch. Das Krankheitsbild des Patienten Deutschland fiel ernüchternd aus und sei etwas für „tapfere Pessimisten“, wie er in der Berliner Bibliothek des Konservatismus erst vor drei Wochen, Mitte November, referierte. Das Gesundheitssystem selbst kranke mehr denn je und war ihm von seiner Profession her schon ein besonderes Sorgenkind, dem er gern noch eine eigene Tagung widmen wollte.

Theorie allein reichte ihm nicht aus

Die Notwendigkeit einer konservativen Ökologie unterstich Bauch in seiner eingangs erwähnten letzten Abhandlung, die Mitte Dezember in dem ersten Band der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung erscheinen wird – er war deren Kuratoriumsmitglied. Bauch war auch bei diesem Thema nicht nur Theoretiker, sondern unterstützte die konservative Herbert-Gruhl-Gesellschaft, bei der er Ende 2017 nach einem dort gehaltenen Vortrag Mitglied wurde. 

Theorie war Bauchs Grundlage und Leidenschaft, sie reichte ihm allein aber nicht aus; institutionelle Verankerung und Vernetzung, das war es, was eine konservative Soziologie brauche. Dabei war Bauch der Auffassung, Soziologie könne nur konservativ sein, weil es ihr um Stabilität und Zukunft gehe, um das Bewahren. Herbert Marcuse blieb ihm da nur als wirklichkeitsfern in Erinnerung, mag dieser sich auch Elemente konservativen Denkens zu eigen gemacht haben. Das Aufkommen der AfD war Bauch nicht nur von tagespolitischer Bedeutung, sondern ein Meilenstein für ein anderes, konservativeres Milieu als jenes, das er als das der Kleingeisterei erlebte.       

Institutionen wirken über den Tod von Einzelpersonen hinaus und sorgen für Beständigkeit. Hier liegt das Erbe, das Bauch mit geschaffen hat und das fortzuführen verpflichtet.