© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Sexueller Mißbrauch in der katholischen Kirche und Homosexualität
Abgründe des Bösen
Franz Kronbeck

Wenn von der Straftat des Kindesmißbrauches die Rede ist, dann sollte man erwarten, daß Mädchen davon „etwa drei- bis viermal“ häufiger betroffen sind als Jungen (so zumindest die Statistik). Dem ist jedoch beim Mißbrauchsskandal in der Kirche nicht so. Dort handelt es sich in etwa 80 Prozent der Fälle um den sexuellen Mißbrauch von Knaben, Jugendlichen und erwachsenen Männern, also um „Ephebophilie“ (homosexuelle Hinneigung zu Knaben oder jungen Männern).

Aus dieser Tatsache ziehen nun manche merkwürdigerweise den Schluß, der Zölibat sei schuld. Daß genau das nicht der Fall ist, ist nicht nur statistisch nachweisbar, sondern auch vernünftig einsehbar, denn die Hinneigung zu (gleichgeschlechtlichen) Kindern und Jugendlichen entsteht in der Pubertät und nicht erst im Erwachsenenalter, wo der Kleriker ein zölibatäres Leben verspricht. Zudem würde ein zölibatäres Leben dazu führen, daß das sexuelle Verlangen abnimmt. Wenn ein Priester wirklich Probleme mit dem Zölibat hat, dann wird er sich eine Frau suchen, sich aber nicht dem eigenen Geschlecht zuwenden, und schon gar nicht Kinder mißbrauchen.

Es geht somit um nichts anderes als darum, wie einige, und zwar wenige, ihre homosexuelle Ausrichtung praktisch umsetzen. Geradezu absurd ist deshalb die in der neuesten Mißbrauchsstudie der deutschen Bischöfe gemachte Aussage, eine angeblich für „Teile der römisch-katholischen Kirche charakteristische Homophobie“ habe zum sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen mit beigetragen. Der Spiegel fordert übrigens ganz im Einklang mit den Autoren dieser Studie: „Die grundsätzliche Ablehnung der katholischen Kirche zur Weihung homosexueller Männer ist dringend zu überdenken.“ Worauf läuft das hinaus? Die Kirche soll gefälligst den Brand mit Benzin löschen.

Daß nun gerade die katholische Kirche so ins Kreuzfeuer kommt, hat nichts mit der realen Verteilung der Straftaten zu tun – in anderen gesellschaftlichen Gruppen ist der Mißbrauch keineswegs seltener. Wenn uns also die Mißbrauchsfälle etwas deutlich vor Augen führen, dann dieses: die „sexuelle Revolution“ ist nun in der Kirche angekommen, und mit ihr die homosexuellen Netzwerke. 

Ganz im Sinne von Wilhelm Reichs Schlachtruf der „Revolution durch sexuelle Befreiung“ hat die neomarxistische Frankfurter Schule und das ihr anhängende „Institut für Sexualwissenschaft“ die christliche Kultur der Keuschheit als Unterdrückung des Sexualtriebes verleumdet – und sogar die sonderbare Theorie aufgestellt, sie sei für das Entstehen des Faschismus mitverantwortlich. So waren die linken „Sexualwissenschaftler“ der Ansicht, daß „die sexuelle Revolution“ (so lautete eines der Hauptwerke Wilhelm Reichs) die Familie als „zentrale reaktionäre Keimzelle“ zerbrechen sollte, um so die bürgerliche Gesellschaft und das sie tragende Christentum zu zerschlagen.

In den fünfziger und sechziger Jahren haben deshalb die Experten der Massenpsychologie regelrechte Konzepte für die Massenmedien erarbeitet, um die Jugend einer nie dagewesenen Gehirnwäsche zu unterziehen. Fast alle Vorbilder aus Film und Fernsehen, alle Idole der aufkommenden Popkultur warben nun für die „freie Liebe“, für Homosexualität, Pädosexualität und für Dinge, die so schrecklich sind, daß wir sie hier gar nicht aussprechen wollen: Die bedeutendsten Propagandisten der Homosexualität in den USA, Harry Hayes und Alfred C. Kinsey, hatten Beziehungen oder waren Schüler des Satanisten Aleister Crowley („Tu, was du willst!“), der sexual-magische Perversionen betrieb.

In kirchlichen Einrichtungen hat es ganze Nester gegeben, in denen Homosexualität praktiziert wurde, und denen man weder geistlich noch mit Strafen wirklich beikommen konnte. Aber seit den sechziger Jahren haben diese Leute jede Scheu verloren. 

An der Odenwaldschule, dem Vorzeigeobjekt der „neuen Pädagogik“, wurden in den Jahren von 1965 bis 2004 132 vor allem, aber nicht nur, männliche Kinder und Jugendliche vergewaltigt; die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt. Haupttäter: Gerold Becker, Leiter der Reformschule von 1972 bis 1985, laut Abschlußbericht von Dezember 2010 ein „narzißtischer Pädo-Sexueller“.

Nach Aussagen eines der Autoren des Berichtes der „Kommission Aufarbeitung“, den der Berliner Landesverband von Bündnis 90/Grüne im Mai 2015 vorgestellt hat, soll es „bis zu 1.000 Opfer“ sexuellen Mißbrauchs in dieser Partei und ihrem näheren Umfeld gegeben haben – und das in dem relativ kurzen Zeitraum von 1978 bis 1995. Über die Opfer sagt der Bericht, es handele sich „im wesentlichen um Jungen im Alter von sieben bis zwölf Jahren“. Und über die Täter steht etwa ganz offen geschrieben: Diese hätten sich in „pädosexuellen Netzwerken“ organisiert.

Obwohl sich Homo-Gruppen heute von dieser Forderung distanzieren, gibt es in der Politik immer wieder Vorstöße, die, wie es heißt, „gewaltfreie“ Pädophilie zu legalisieren, wie etwa die neuen Standards der Weltgesundheitsorganisation für Sexualaufklärung, worin behauptet wird, Kinder hätten von Geburt an sexuelle Bedürfnisse und demzufolge auch ein „Recht auf Sexualität“.

Mit den Opfern dieses neuen Umgangs mit der Sexualität hat kaum jemand Mitleid, so schrecklich die Folgen auch sein mögen: Erhebungen des Robert-Koch-Institutes zufolge leiden in Deutschland 20 Prozent der Kinder an psychischen Auffälligkeiten, zehn Prozent an schweren seelischen Störungen. Der Suizid zählt zu den häufigsten Todesursachen bei Jugendlichen. Zerstörte Familien bilden heute den Unterbau der Gesellschaft.

Auch früher schon hat es praktizierte Homosexualität in bestimmten Kreisen und Einrichtungen gegeben, auch in kirchlichen Institutionen. Gerade in den Internaten und internatsähnlichen Einrichtungen fand dieses Verhalten ein Milieu, das es erlaubte, sich über lange Zeit hin auszubreiten. Der Kindesmißbrauch pflanzt sich von Generation zu Generation fort – die heutigen Täter waren oft schon in der Kindheit Opfer des Mißbrauches. Das hängt mit der Struktur der menschlichen Sexualität zusammen: Wie wissenschaftliche Untersuchungen belegen, ist der sexuelle Mißbrauch in der Kindheit neben einer neurotischen Disposition die Hauptursache für Homo­sexualität.

Die menschliche Sexualität ist auf eine Weise strukturiert, daß beim ersten sexuellen Kontakt zwischen Mann und Frau so starke emotionale Kräfte wirken, daß sie diese ein Leben lang zu binden vermögen – die „Natur“, genauer gesagt der Schöpfer, der die Natur eingerichtet hat, hat schon auf biologischer Ebene dafür gesorgt, daß eine Familie entsteht. Wird jedoch die von Gott vorgesehene Ordnung pervertiert, wie etwa im Falle des sexuellen Mißbrauchs, so wird eine der Natur der menschlichen Seele widersprechende Bindung an eine gleichgeschlechtliche Person und die damit verbundene sexuelle Perversion der Seele des Opfers eingeprägt.

In kirchlichen Einrichtungen hat es ganze Nester gegeben, in denen Homosexualität praktiziert wurde, und denen man weder mit geistlichen Mitteln noch mit Strafen wirklich beikommen konnte. Aber seit den sechziger Jahren haben diese Leute jede Scheu verloren, jedes Gespür für die Sündhaftigkeit und Abscheulichkeit ihres Tuns. Wir dürfen nicht vergessen: Im kirchlichen Bereich führt der Mißbrauch nicht nur zu tiefreichenden seelischen Schäden, sondern allzu oft auch zum Verlust des Glaubens, beim Opfer, bei den Angehörigen, bei allen, die davon erfahren. Es ist geradezu erschreckend, wie verwundbar die menschliche Seele ist. Wie sehr werden gerade Jungen bis ins Innerste ihres Herzens verletzt, wenn ihnen Personen, zu denen sie aufschauen, Böses antun.

Gerade im Umgang mit der Sexualität zeigt sich, ob das Christentum überhaupt noch die Kraft hat, die Gesellschaft zu prägen. Es war das Christentum, das den sexuellen Mißbrauch von weiblichen wie männlichen Sklaven und Kindern, der bei den alten Griechen und Römern wie selbstverständlich betrieben und nicht einmal als Unrecht erachtet wurde, abgeschafft hat. Dadurch, daß Christus die Ehe zum Sakrament erhob, hat er die Grundlagen für eine Kultur der Achtung der Frau und der ehelichen Liebe geschaffen, wie sie es ansonsten in der gesamten Weltgeschichte nicht gab.

Die Kirche wird uns nicht ins Mittelalter zurückführen und auch nicht anderswohin. In den vergangenen 50 Jahren konnte sie kein Gesetz verhindern, das ihren moralischen Vorstellungen widerspricht; zu sehr ist sie mit ihrer Selbstzerstörung beschäftigt. 

Paulus hat in Röm 1,24-32 in prophetischer Weise die widernatürliche Sünde als eine direkte Folge der Nichtannahme der Wahrheit bezeichnet. Die sexuelle Perversion – und Paulus redet keineswegs nur von Homosexualität – ist eine Folge der Perversion des Weltbildes. Auf heute übertragen: Daß die sexuelle Revolution so erfolgreich war, hat darin ihren tiefsten Grund, daß zeitgleich eine geistesgeschichtliche Revolution geschehen ist, welche das bis dahin vorherrschende christliche Weltbild mitsamt seinen Grundlagen dahingerafft hat.

„Im Anfang war der Wasserstoff!“ hieß ein Bestseller von Hoi­mar von Ditfurth, der in den siebziger Jahren flankiert von Fernsehsendungen jedem klarmachen sollte, daß die Welt nun doch nicht von einem allwissenden Gott erschaffen, sondern aus dem Zufall hervorgegangen sei. Der Mensch sei nur ein Produkt der Evolution, seine Sexualität im Prinzip nichts anderes als der Fortpflanzungstrieb der Tiere; die Verbindung von Sexualität mit Liebe und Treue sei rein äußerlich, das Produkt fehlgeleiteter Romantik und christlicher, „lustfeindlicher“ Erziehung. Bis dahin hatte das Christentum eine völlig andere Sicht auf die Wirklichkeit als die übrige Welt – gerade auch in der Sexualität.

Für den gläubigen Menschen ist die Wirklichkeit nicht das Ergebnis blinder Mächte, sondern ein „Geschöpf“, und das besagt: Ausdruck und Abbild des Absoluten, seiner vollkommenen Wahrhaftigkeit und Liebe. Deshalb haben die Dinge einen legitimen Anspruch an uns, an unsere Vernunft. Die christliche Religion und Philosophie sind kein Hinausdenken in ein wesenloses „Sein“, sondern sie sind eine Antwort auf diesen Zuspruch Gottes.

Das Entscheidende ist nun, daß die Sexualität beim Menschen eine geistige Grundkraft ist, einmal wegen ihrer grundlegenden Nähe zur Liebe, aber auch weil sie an Tiefe und Höhe alles andere überragen kann, was dem Menschen wichtig ist; wer verliebt ist, wird wissen, wovon die Rede ist. Die Natur des Menschen ist (wie alle Wirklichkeit!) letztlich nur vom Übernatürlichen her zu verstehen: Seine Kräfte und Antriebe sind finalursächlich auf Gott, auf die Anschauung Gottes hin ausgerichtet. In einem äußerst tragischen Geschehen, das man als „Ursünde“ bezeichnet, hat aber der Mensch eine so grundlegende Verstörung in sich selbst und in die Welt gebracht, daß seine Triebe nicht mehr der Vernunft und die Vernunft nicht mehr dem Anspruch der Wahrheit, dem Anspruch Gottes entsprechen. Der Mensch hat sich dem Bösen zugeneigt – und all jenen Theologen, die die Rede von der Existenz des Bösen als mittelalterliches Schreckgespenst abtun, möchte ich empfehlen, einmal mit Opfern des sexuellen Mißbrauchs zu sprechen, etwa jenen 12- oder 13jährigen Jungen auf dem Berliner Kinderstrich, die ihr Elend nur deshalb ertragen, weil ihnen ihre Kunden Crystal Meth zustecken. Ohne die Kategorien von Sünde und Erlösung können wir nicht begreifen, wie es um den Menschen steht, und auch nicht, welches Drama sich im persönlichen Leben wie in der Geschichte abspielt.

Die Kirche wird uns nicht ins Mittelalter zurückführen und auch nicht anderswohin. In den vergangenen 50 Jahren konnte sie kein einziges Gesetz verhindern, das ihren Vorstellungen in Sachen Moral widerspricht; zu sehr ist sie mit ihrer Selbstzerstörung beschäftigt. Die Kirche ist nicht „homophob“; sie hat nur eine Kennzeichnungspflicht gegenüber der Sünde, gegenüber jeder Form von Sünde. Die sich jetzt gerade im sexuellen Mißbrauch zeigenden Abgründe des Bösen sind ein Schattenbild der (abgelehnten) übernatürlichen Bestimmung des Menschen.






Franz Kronbeck, Jahrgang 1964, unterrichtet Latein am internationalen Priesterseminar der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Zaitzkofen. Er studierte Theologie und Philosophie in Regensburg und München (Magister Artium). Letzte Buchveröffentlichung: „Martin Luthers Kampf mit Gott“ (Sarto-Verlag, Bobingen 2017).

Foto: Katholischer Priester und Jungen – Hände, die segnen, Hände, die mißbrauchen:Homosexuelle Netzwerke haben sich bis weit in die Kirche ausgebreitet