© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

Die Hauptstadt als Pulverfaß
Der Hype um arabische Clans geht in die nächste Runde: Auf Netflix startet die Thrillerserie „Dogs of Berlin“
Gil Barkei

Ein Jahr nach dem Erfolg der Serie „Dark“ (JF 50/17) ist nun die zweite Netflix-Eigenproduktion aus Deutschland gestartet. „Dogs of Berlin“ greift den Hype um die Serie „4 Blocks“ über arabische Familienclans (JF 22/17) auf, die Mitte Oktober beim Bezahlsender TNT in die zweite Staffel ging. 

Und auch bei den „Dogs“ gehören Rapper mit realer Knasterfahrung zum Darstellerensemble. Im Mittelpunkt stehen allerdings zwei Berliner Polizisten, die nach dem Mord an dem deutsch-türkischen Spielmacher der Fußballnationalmannschaft in der Unterwelt der Hauptstadt ermitteln und dabei bis zum „Großen Knall“ am Ende auf Kameradschaften, die Balkan-Wettmafia, Rocker und libanesische Drogendealer treffen.

Der (ost)deutsche Beamte Kurt Grimmer (Felix Kramer) ist korrupt, ein bißchen spießig, ein bißchen assi und hat familiär bedingt Kontakte zu Neonazis. Der andere Ermittler, Erol Birkan (Fahri Yardim), hat türkische Wurzeln, ist homosexuell, stammt aus einem Problemkiez und wird als belächeltes, aber für den Fall benötigtes Aushängeschild herangezogen. Wer derlei bundesrepublikanische Klischees für die bipolare Dramaturgie zwanghaft zusammenpreßt, braucht sich nicht wundern, daß die ersten Zuschauerreaktionen in den sozialen Medien kritisch ausfallen. „Alarm für Cobra 11 trifft Tatort“ gehört noch zu den amüsanten Unmutsbekundungen über die teilweise abgedroschen bis übertrieben anmutenden Handlungsstränge, Charakterdarstellungen und Action­szenen – besonders bei der Darstellung der rechtsextremen Szene.

In der Tat führte Regisseur und Autor Christian Alvart bereits bei den Til-Schweiger-Tatortfilmen Regie. Zwar habe er den Stoff schon 2009 angefangen zu schreiben, erzählt Alvart dem Online-Magazin Wired. Aber angesichts der Özil-Debatte, Clan-Schlagzeilen und Berichten über Rechtsextremismus in Chemnitz wirke „‘Dogs of Berlin’ ein bißchen so wie ‘2018, die Serie’“. Wenn angesichts der wachsenden Gewalt die Serie von einem „drohenden Rassenkrieg“ spricht, möchte man den Machern zwischendurch fast doch noch Voraussicht bescheinigen. 

Die zehn Folgen bieten tatsächlich zahlreiche aktuelle Themen und einen Einblick in den babylonischen Moloch Berlin und den Alltag seiner Subkulturen. Nur gelingt dies kaum ohne links­ideologische Schlagseite und wirkt angesichts der vielen aufgegriffenen sozialen und ethnischen Konfliktlinien insgesamt etwas überfordert zwischen Gangsterthriller und Gesellschaftspanoptikum.

„Dogs of Berlin“:. 10 Folgen à 50 Minuten, seit dem 7. Dezember auf Netflix.