© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

Schwierigkeiten mit der Wahrheit zum Armenier-Genozid
Chronik einer Verdrängung
(wm)

Zum Schwerpunktheft der Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (2/2018), das sich dem 1915/16 verübten türkischen Völkermord am armenischen Volk widmet, erinnert der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps an die Geschichte der bundesdeutschen „Aufarbeitung“ dieses Verbrechens. In Bonn und dann in Berlin taten sich alle im Bundestag vertretenen Parteien von jeher schwer damit. Nach dem Vorbild der Parlamente anderer EU-Staaten wie Griechenland (1996), Belgien (1998), Italien, Schweden (beide 2000) oder Frankreich (2001) sei zwar 2005 eine mit den Stimmen aller Fraktionen gestellte Resolution zu den „Vertreibungen und Massakern an den Armeniern“ verabschiedet worden, aber das Wort „Genozid“ vermied man tunlichst. In erster Linie, um den Nato- und Handelspartner Türkei zu schonen und die Millionen in Deutschland „ansässigen Türken nicht zu verärgern“. Die Merkel-Regierung habe fortan stets ein Problem damit gehabt, „die richtigen Worte“ zu finden. Noch Anfang 2015 hatte sie zum 100. Jahrestag ursprünglich keine eigene Gedenkveranstaltung geplant. Und das Auswärtige Amt vertat den nur „formaljuristisch korrekten“ Standpunkt, die einschlägige UN-Konvention gegen Völkermord von 1948 gelte nicht für die Bundesrepublik, weil sie für den westdeutschen Teilstaat erst 1955 in Kraft getreten sei. 


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