© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Die eine soll weg, der andere geht freiwillig
AfD: Bundesvorstand leitet Parteiausschlußverfahren gegen Doris von Sayn-Wittgenstein ein / Uwe Kamann verläßt die Bundestagsfraktion
Felix Krautkrämer / Christian vollradt

Vor einem Jahr wäre sie fast zur zweiten Vorsitzenden neben Jörg Meuthen gewählt worden, nun hat der AfD-Bundesvorstand am Montag ein Parteiausschlußverfahren gegen Doris von Sayn-Wittgenstein eingeleitet (JF 50/18). Der Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein wird zum einen vorgeworfen, sie habe für den Verein „Gedächtnisstätte“ geworben, der sich laut niedersächsischem Verfassungsschutzbericht einer „revisionistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Geschichtsbetrachtung und -verbreitung“ verschrieben habe. Die erste Vorsitzende des 1992 gegründeten Vereins war die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Der Verein steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. 

Darüber hinaus wurden in der Sitzung des Bundesvorstands am Montag Vorwürfe laut, Sayn-Wittgenstein habe sich in bezug auf die Opferzahlen des Nationalsozialismus strafrechtlich relevant geäußert – dazu lägen entsprechende Zeugenaussagen vor. Die Landesvorsitzende selbst hatte nach ersten Medienberichten ihr früheres Werben für den Verein „Gedächtnisstätte“ zugegeben, jedoch bestritten, dort Mitglied gewesen zu sein. Zudem sei sie zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 2014 noch nicht AfD-Mitglied gewesen. Kritiker halten dem entgegen, Ziel der 2015 erstmals veröffentlichten Unvereinbarkeitsliste sei es ja gerade, die komplette politische Vergangenheit eines AfD-Bewerbers zu überprüfen. Zudem heißt es, Sayn-Wittgenstein habe noch im Februar 2017 per Mail für die Teilnahme an einem Seminar der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ geworben, die ebenfalls auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Der Bundesvorstandsbeschluß hat außerdem beschlossen, die Kieler Landesvorsitzende „bis zur Entscheidung des zuständigen Schiedsgerichts in der Hauptsache von der Ausübung ihrer Rechte, das heißt auch von der Ausübung ihrer Parteiämter, auszuschließen“.

Fraktion im Bundestag     verliert weiteres Mitglied

Unterdessen hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann angekündigt, er werde zum Jahresende Fraktion und Partei verlassen. Die Gründe hierfür seien „vielfältiger Art und haben mich in der Summe und im Zeitverlauf bewogen, meinen Entschluß zu festigen“, schrieb der Abgeordnete am Montag in einer internen Mail. Nachdem die JUNGE FREIHEIT zuerst über seinen bevorstehenden Austritt berichtet hatte, machte Kamann seinen Entschluß öffentlich. In seiner Mail kritisiert er, die „notwendigen politischen Rahmenbedingungen für die digitale Transformation“, an die er „fest glaube“, spielten in der AfD „leider nur eine untergeordnete Rolle“. Künftig wolle er sich als fraktionsloser Abgeordneter „weiter hierfür im Rahmen meiner Möglichkeiten einsetzen“. Weiter heißt es: „Ich habe einige tolle Menschen in der AfD kennen- und schätzen gelernt, welche ich nicht missen möchte. Allerdings leider in der Mehrzahl halt nicht. Aber man sollte immer das Positive in Erinnerung halten.“

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT gab sich Kamann überzeugt, er könne als Fraktionsloser sogar mehr bewirken, da er dann stärker als Fach- und nicht als Parteipolitiker wahrgenommen werde und so mehr Gehör bei anderen Fraktionen finde. „Mir geht es vor allem darum, daß sich Wirtschaft und Gesellschaft auf den digitalen Wandel einstimmen.“ Kamann bestritt, seine Entscheidung habe vor allem mit Verwerfungen innerhalb der nordrhein-westfälischen AfD zu tun. „Wenn dem so wäre, hätte ich ja schon viel früher gehen müssen“, meinte der 60jährige Politiker. Generell vermisse er in der Partei die notwendige Professionalität. Nach Informationen der JF hatte es allerdings in der Landesgruppe NRW immer wieder Unstimmigkeiten zwischen einer Mehrheit der Abgeordneten und Kamann gegeben. So war etwa kritisiert worden, daß Kamann entgegen der Beschlußfassung zum Thema Nebentätigkeiten weiter als Geschäftsführer seiner Firma tätig blieb. 

„Wir bedauern den Austritt von Uwe Kamann ausdrücklich. Er hat die Fraktion durch seine Fachkompetenz und durch seinen engagierten Einsatz für die Ziele der AfD bereichert“, teilte ein Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion mit.