© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Grüße aus dem Vatikan
Der große Unterschied
Paola Bernardi

Auf dem Petersplatz erhebt sich der 23 Meter hohe Christbaum aus der Provinz Friaul-Julisch Venetien, geschmückt mit goldenen und silbernen Kugeln, gekrönt von einem leuchtenden Stern. Darunter steht die Krippe, dieses Mal aus reinem Sand modelliert. Im Licht der Dezembersonne erstrahlt die Kuppel von Sankt Peter, schwebt wie eine steinerne Frucht über Rom. Auf der Via della Conciliazione hin zum Vatikan harren die Bettler aus. Seit der argentinische Papst Franziskus, der erste Jesuit, auf dem Thron Petrus, die Barmherzigkeit zu seinem Hauptthema gemacht hat, strömen sie noch intensiver nach Rom. 

Zum fünften Mal feiert Franziskus das Weihnachtsfest in Rom. Viel hat sich unter seinem Pontifikat im Vatikan gewandelt. Da ist vor allem für viele Katholiken noch immer die verblüffende Situation, daß im Vatikan derzeit zwei Päpste leben. 

Der Weihnachtsfrieden war im Vatikan noch nie so fern wie in diesem Jahr.  

Ein „aktiver“ Franziskus und sein Vorgänger Benedikt XVI., der von seinem Amt zurücktrat,  als „kontemplativer“ Teilhaber. Beide leben im Gästehaus Santa Marta im Vatikan. Der 91jährige Benedikt, sicherlich der größte Theologe Europas, ist körperlich nur noch eine kleine Schattengestalt mit schlohweißen Haaren; doch seine Gedanken sind noch immer glanzklar und genau, wie seine aktuelle Korrespondenz offenbart. 

Genau hier liegt der große Unterschied, denn Franziskus äußert sich nie präzise. Es werden Lehrsätze von ihm umgestülpt, Worte gesagt, die verblüffen, oder es wird komplett geschwiegen. Sein Lehrschreiben „amoris laetitia“ über Ehe- und Familienmoral spaltet die Weltkirche. Gegen den Lehrtext wurden Eingaben gemacht, doch der Papst schweigt. Längst ist ein ideologischer Bürgerkrieg im Vatikan ausgebrochen. Im Mittelpunkt steht der gewaltige Mißbrauchsskandal der katholischen Kirchen in aller Welt. Es geht um den Vorwurf, daß Franziskus nicht streng genug durchgegriffen habe.

Auch die vatikanische Diplomatie, die von jeher von aller Welt bewundert wurde, erscheint Franziskus plötzlich im Zwielicht. Auslöser ist ein „Deal“ zwischen China und dem Heiligen Stuhl über Bischofsernennungen. Durchbruch oder Ausverkauf? Während bei Chinas Katholiken der Untergrundkirche die große Angst umgeht. Während ein Teil dem Papst zujubelt, sehen ihn die anderen als Spalter der Weltkirche. Mag auch das „Tedeum“ durch Sankt Peter erklingen, der Weihnachtsfrieden war noch nie so fern wie dieses Jahr im Vatikan.