© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Hoffen auf das neue Jahr
Großbritannien: Nachdem die EU zu keinen weiteren Konzessionen bereit war, steuert das Land auf einen „harten Brexit“ zu
Josef Hämmerling

Theresa May kämpft mit harten Bandagen um ihr politisches Überleben. Nur drei Tage, nachdem die britische Premierministerin einen Mißtrauensantrag ihrer eigenen Fraktion mit 200 zu 117 Stimmen gewonnen hatte, sorgte die Sunday Times für ein neues Erdbeben. Die größte britische Sonntagszeitung hatte berichtet, Mays Vizeregierungs-chef David Lidington und Stabschef Gavin Barwell bereiteten hinter ihrem Rücken ein zweites Referendum über einen Austritt aus der EU vor. May wies dieses Ansinnen sofort zurück. Ein derartiger Schritt „würde unserer Politik einen irreparablen Schaden zufügen, denn er würde den Millionen, die unserer Demokratie vertrauten, sagen, daß die Demokratie nicht Wort hält“, sagte die Premierministerin am Montag vor dem Unterhaus. Dennoch werden die Rufe nach einem neuen Votum von allen Oppositionsparteien immer lauter. Bei dem Referendum am 23. Juni 2016 hatten 51,89 Prozent der Wähler für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt. Dieser soll am 29. März 2019 erfolgen.

Labour sucht Heil in Mißtrauensvotum 

Nachdem May die für den 11. Dezember geplante Abstimmung über das von ihr mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen abgesagt hatte, soll diese nun in der dritten Januarwoche stattfinden. Das genaue Datum soll im neuen Jahr festgesetzt werden. Politische Beobachter bezweifeln aber, daß die mehr als 100 Abgeordneten aus ihrer eigenen Konservativen Partei, die eine Ablehnung des Abkommens ankündigten, bis dahin ihre Meinung ändern werden. 

Von den 327 Abgeordneten, die die aus den Konservativen und der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) bestehende Regierungskoalition hat, müßten mindestens 320 dafür stimmen. DUP-Chefin Arlene Foster hatte jedoch bereits erklärt, die zehn Abgeordneten ihrer Partei würden den ausgehandelten Austrittsvertrag geschlossen ablehnen. Die sogenannte Backstop-Lösung, wonach Großbritannien zur Vermeidung von neuerlichen irisch-nordirischen Grenzkontrollen für unbestimmte Zeit in der Zollunion verbleibt, wird von den Nationalkonservativen kategorisch abgelehnt. Denn dadurch werde der ganze Brexit quasi aufgehoben, da London sich auch weiterhin den Regeln der EU unterwerfe, aber keinerlei Mitbestimmungsrecht habe, so Foster.

Derweil hat Oppositionsführer Jeremy Corbyn am Montag ein Mißtrauensvotum gegen Theresa May angekündigt, über das das Unterhaus entscheiden soll. „Eine verantwortungsvolle Premierministerin hätte dem Parlament den Deal diese Woche vorgelegt“, begründete der Labour-Vorsitzende seinen Schritt und kritisierte die Verlegung in den Januar. Selbst ein Sieg hätte aber keine rechtlichen Konsequenzen für May oder die Regierung. Denn dazu müßte ein Mißtrauensantrag gegen die gesamte Regierung gestellt und gewonnen werden. Eine Niederlage würde aber eine weitere Bloßstellung Mays bedeuten. 

Die Premierministerin erhofft sich aber nach wie vor Zugeständnisse der restlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Dabei hatten diese bereits in der vergangenen Woche Nachverhandlungen kategorisch ausgeschlossen.

 So hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk klargestellt, daß „an dem Grundprinzip der offenen Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland nicht zu rütteln“ sei. Diese Regelung werde solange in Kraft bleiben, bis eine andere Lösung gefunden werde, die offene Grenzen garantiere. 

May hatte zumindest um die Zusicherung gebeten, daß die Backstop-Lösung nur „vorübergehend“ sei. Doch da die EU noch nicht einmal dazu bereit ist, steuert Großbritannien auf einen „harten Brexit“ zu.