© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Deutsche Sparer in Haftung genommen
Bankenunion: Wegen einer „EU-Vertiefung“ sollen erweiterte Geldtransferkanäle eingerichtet werden
Bruno Hollnagel

Schon der Bruch der Maastrichter Konvergenzkriterien zur Euro-Einführung verhieß nichts Gutes – man schummelte sich durch allerlei Buchführungstricks in den Euro hinein. Später wurde auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt gebrochen. Die fortdauernden Kriseleien ist bedingt durch die Gemeinschaftshaftungen, welche die Mitglieder scheinbar aus der Eigenverantwortung entlassen, und die Tatsache, daß die Risiken nicht sachgerecht durch den Zins bewertet werden.

Die EZB nahm den Zinsen in der Subprimekrise ihre regulierende Kapitallenkungsfunktion, um Staaten zu retten, die sogenannte systemrelevante Banken mit Steuergeldern und Bürgschaften über Wasser halten wollten, wodurch sie selbst in finanzielle Probleme gerieten (Belgien, Griechenland, Portugal, Spanien, Irland, Italien).

Der dauerhafte Nullzins war geboren. Die Folgen sind fehlgesteuerte Kapitalallokationen, die die Blasenbildung fördert sowie den Verlust von Zinserträgen bedingten. Der Markt ist außer Kraft und kann sich nicht mehr selbst heilen. Die gesparten Zinsausgaben wurden selten genutzt, um die Staatsschulden abzubauen.

Gewisse Staatsanleihen wurden zu den gewünschten Konditionen unverkäuflich, weil Investoren die Risiken höher einschätzten als mögliche Erträge. Die EZB kaufte solche Anleihen und wurde dadurch zur größten „Bad Bank“ der Welt. Die Summen der notleidenden Kredite (englisch: Non-Performing Loans, NPL) in Europa sind so hoch, daß die Verluste der Banken nicht durch Zinsüberschüsse aus anderen Krediten gedeckt werden können.

Griechische Banken müßten 20mal mehr zahlen 

Der Kern des Problems bleibt aber die Ungleichheit der zusammengezwängten  Wirtschaftsräume. Zahlungsungleichgewichte können Eurosystem-weit nicht mehr durch Wechselkursschwankungen ausgeglichen werden. Dies kann nur noch durch unbegrenzte  Zahlungsbilanzlredite (Target 2) oder Schenkungen geschehen.

Und nun soll weiter vereinheitlicht werden – mit der von Brüssel geplanten Bankenunion. Deren Ziel es ist, für die Stabilität des Finanzsystems zu sorgen. Verkauft wird sie mit der Behauptung, daß im Falle einer Bankenrettung oder Abwicklung dies dann nicht zu Lasten der Steuerzahler (Bail-out), sondern der Anteilseigner und Gläubiger (Bail-in) erfolgen würde.

Sie basiert auf einem einheitlichen Regelwerk (englisch: Single Resolution Board, SRB). Die schon installierte EU-Bankenaufsicht soll alle europäischen Großbanken nach dem Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (englisch: Single Supervisory Mechanism, SSM) überwachen. Kleinere Banken bleiben nationalen Einrichtungen auf der Grundlage des SSM unterstellt. Die nationalen Einlagensicherungssysteme – Deutschland ist hier führend – sollen in ein Einheitliches Europäisches System (EDIS) überführt werden.

Gerät eine Großbank in Schieflage, entscheidet die EU, ob diese gerettet oder abgewickelt werden soll. Bis zu einer Höhe von acht Prozent der Bilanzsumme werden im Falle der Abwicklung erst die Aktionäre, dann die Gläubiger und schließlich die Sparer bei Einlagen über 100.000 Euro in Haftung genommen. Bei Einlagen unter 100.000 Euro pro Person und Bank wird auf die nationalen Einlagensicherungssysteme zurückgegriffen, falls eingeführt dann auf die Einheitliche Einlagensicherung.Reichen diese Mittel nicht aus, so wird auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds (englisch: Single Resolution Fund, SRF) zurückgegriffen. Letzterer soll bis 2024 auf 55 Milliarden Euro von den Banken aufgestockt werden.

Genügt dieses Geld immer noch nicht, so springt der jüngst gestärkte  Europäische Stabilitätsmechanismus  (englisch: European Stability Mechanism, ESM) ein. Als Letztsicherung soll dem ESM ein Kreditrahmen gewährt werden, für den die Banken eine Rückzahlung garantieren müssen. Reicht auch die Letztsicherung nicht, so haftet der Staat mit dem Steuertopf.

Zur Einrichtung des Einheitlichen Einlagensicherungssystems kam es noch nicht, weil nach der Auffassung von zehn Finanzministern die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sie meinen, daß der Risikoabbau bei den Banken nicht genug fortgeschritten sei und daß die wechselseitige Abhängigkeit von Staaten und Banken entschärft werden müsse, da südeuropäische Banken zu viele „faule Kredite“ der eigenen Staaten in den Bilanzen haben. Zusätzlich ist die vorgesehene EZB-Bankenaufsicht durch ihre Interessen ungeeignet. Wer eine Aufsicht innehat, der muß kompetent und unabhängig sein. Die EZB aber leiht den Banken Geld.

Der von den Kreditinstituten zu füllende Abwicklungsfonds soll den Charakter einer Versicherung haben. Die Höhe einer zu zahlenden Versicherungsprämie richtet sich in der Regel nach der Höhe der Risiken. Danach müßten griechische Banken mehr als 20mal soviel bezahlen wie deutsche. Sie sollen aber gleichgestellt werden. Das ist, als ob jemand eine Feuerversicherung abschließt, wenn das Haus bereits brennt.

Versichert werden sollen damit also  die notleidenden Kredite – laut EZB in Höhe von 910 Milliarden Euro. Dann sind da noch die sogenannten Zombiekredite. Diese sind nur wegen der exorbitant niedrigen Zinsen nicht notleidend. Ihre Höhe ist schwer abzuschätzen. Kommt es zu Konjunkturschwächen oder Zinssteigerungen in Europa, werden sich erst die tatsächlichen Risiken offenbaren. Sie dürften im Euro-Raum 2.000 Milliarden Euro betragen. Alle gegenwärtig angedachten Sicherungssysteme in der Bankenunion würden hierfür nicht ausreichen.

Die anlaufende Zinswende wird die Schulden steigern

Der Volkswirtschaftler Martin Hellwig vom Bonner Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter stellt bezüglich der Kosten einer Bankenabwicklung fest: „Schon bei mittelgroßen Banken ist hier über dreistellige Milliardenbeträge zu reden, bei Megabanken wie BNP Paribas oder der Deutschen Bank sogar über vierstellige Beträge.“

Es ist ein systematischer Fehler, Konkurrenten füreinander haften zu lassen. Da Gewinne behalten, die Risiken aber geteilt werden, verleitet dieser Fehlanreiz Banken zu riskanten Operationen. Beispielsweise beteiligen sich – mit steigender Tendenz – die acht europäischen Großbanken schon zu 24 Prozent an Hochrisiko-Krediten in den USA. Durch die gegenseitige Haftung der Banken kann eine insolvente Bank eine andere anstecken und damit in Probleme bringen, quasi eine Insolvenzgrippe. Statt also die Schwachstellen zu eliminieren oder zu isolieren, schafft die Bankenunion einen Ansteckungsmechanismus, der das gesamte System weiter gefährdet.

Die Annahme, daß ein Abwicklungsfonds mit 55 Milliarden Euro ausreicht, ist angesichts der tatsächlichen Risiken weltfremd. In der Krise ab 2008 flossen weltweit insgesamt 1.600 Milliarden Dollar an Banken.

Aktuell werden unter dem Stichwort „EU-Vertiefung“ neue und erweiterte Geldtransferkanäle eingerichtet und wird versucht Gemeinschaftshaftungen noch weiter auszubauen. Die planwirtschaftlichen Elemente weiten sich krakenhaft aus und entmachten nationale Parlamente.

In den USA und Japan ist eine Zins­erhöhung in Bewegung gekommen. Der US-Leitzins liegt jetzt bei zwei bis 2,25 Prozent. Die Fed hat für 2019 eine weitere Zinserhöhung angekündigt. Wie wird wohl ein europäischer Investmentfonds reagieren, wenn er in Europa keine Zinsen bekommt, wohl aber in den USA? Er wird Kapital in die USA verlagern. 

Nachhaltig handeln kann nur ein Akteur, der die Folgen seines Handelns bedenkt, weil sie ihn unmittelbar selber treffen. Haftungsgemeinschaften laden die negativen Folgen von Handlungen anderen auf und versuchen die Vorteile für sich zu behalten.






Dr. Bruno Hollnagel, Ökonom und Wirtschaftsingenieur, ist AfD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Finanzausschuß.

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