© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Eine neue Form der Aufklärung
Seit einigen Jahren etablieren sich auch in Deutschland konservative, patriotische und libertäre Youtuber
Björn Harms

Mittlerweile gehören Onlinevideos für die meisten Deutschen zum Alltag. Rund drei Viertel der Bevölkerung nutzen zumindest gelegentlich Plattformen wie Youtube. Doch während im englischsprachigen Bereich bereits Anfang der 2010er Jahre erste Konservative begannen, politische Kanäle dem banalen Einheitsbrei auf dem Videoportal entgegenzustellen, blieb das Potential im deutschsprachigen Raum lange Zeit ungenutzt. Erst in den letzten drei Jahren etablierten sich auch hierzulande alternative Kanäle, die ein Gegenangebot zu den etablierten Medien schaffen wollen. 

Einer von ihnen: „Der Schattenmacher“. Seine Videos widmen sich sowohl aktuellen Geschehnissen als auch metapolitischen Inhalten. So liefert er Analysen zur Bayern- oder Hessenwahl, beschäftigt sich mit dem „Teleportationsproblem“ oder sucht die „Wahrheit in der postfaktischen Postmoderne“. Besonderen Wert lege er auf die „Videos mit philosophischer Ausrichtung“, wie er der JUNGEN FREIHEIT erzählt. Aufgewachsen in einer ländlichen Region, schlug er früh eine klassisch akademische Laufbahn ein. Mittlerweile arbeite er an einem Institut für Grundlagenforschung. Öffentlich tritt er wie viele seiner Kollegen aus Angst vor einer Kündigung nicht auf. Sein Ansatz jedenfalls scheint zu fruchten – die Abonnentenzahl seines Kanals hat mittlerweile die 20.000er-Marke geknackt. „Gegen den Trend des intellektuell Seichten, ein Video über Markus Aurelius oder den extremistischen Neo-Luddismus von 30 oder 50 Minuten Länge zu kreieren und trotzdem 20 bis 30tausend Zuschauer erreichen zu können, das sind Resultate, die mich zweifellos mit Stolz erfüllen.“

Sperren und Einsprüche kosten viel Zeit

Eine ähnliche Herangehensweise verfolgt auch der Kanal „Sapere Aude“. Natürlich könne man ihn zum rechten Lager zählen, sagt der aus Pommern stammende Mittzwanziger der JF. Er selbst würde sich jedoch eher als „Pragmatiker“ sehen. Was ihn an vielen Rechten störe: „Oft wird mit Halbwissen oder aus sehr verhärteten Fronten heraus argumentiert. Das halte ich für wenig produktiv.“ Auch deshalb veröffentlichte er in den vergangenen Monaten sein bisheriges Opus Magnum, eine sechsteilige Videoreihe, die sich ausführlich mit der Ideengeschichte des Sozialismus befaßt.

Zumindest für einige Youtuber scheint der altbekannte Spruch, wer nicht einmal links war, wird kein richtiger Rechter, seine Berechtigung zu haben. Auch der Betreiber des Kanals „Wir selbst“, der als Grundpfeiler seines Projekts „Christentum und Patriotismus“ nennt, spricht davon, „von links in das konservative Lager gewandert“ zu sein. Die Entwicklungen seit 2015 hätten ihn dazu bewogen, „nicht mehr untätig zu bleiben und meinen Beitrag für eine politische Wende mittels Youtube-Video zu leisten“. Dafür hält er auch eine Abgrenzung zum Rechtsextremismus für absolut notwendig, selbst wenn seine offensive Auseinandersetzung mit Youtubern wie dem nach weit rechts abdriftenden „Volkslehrer“ (JF 23/18) für diverse Anfeindungen aus dieser Ecke sorgt. „Spalter“ ist da noch der harmloseste Vorwurf.

Doch auch außerhalb der konservativen Szene, etwa aus libertärer Richtung, sprießen derzeit diverse Kanäle aus dem Boden. Grund ist nicht zuletzt die Asylpolitik der Bundesregierung. „Libertär sein bedeutet, die eigene Freiheit auszuleben, ohne die eines anderen einzuschränken“, erklärt Miró Wolsfeld, der den Kanal Unblogd betreibt. „Allerdings hat die fatale Einwanderungspolitik die Freiheit massiv beschnitten.“ Wolfsfeld nimmt in seinen Videos das tagespolitische Geschehen unter die Lupe, um so eine Alternative zu herkömmlichen Medien zu bieten. Er kritisiert vor allem die amateurhafte Visualisierung vieler Kanäle. Alternative Medien hätten generell damit zu kämpfen, ernst genommen zu werden und böten somit noch mehr Angriffsfläche, „da viele Formate aussehen, als entstammen sie noch der Zeit ohrenbetäubender Modems“. 

Viele Youtube-Zuschauer unterschätzen zudem, wieviel Arbeit in den einzelnen Videos steckt. Das Schreiben seiner Skripts könne schon einmal mehrere Tage dauern, erklärt etwa „Sapere Aude“. Der anstrengendste Teil aber sei das Aufnehmen, Zurechtschneiden und Bebildern der Videos. Ähnlich äußert sich „Der Schattenmacher“. „Als Faustregel gilt für mich: Eine Minute Video entsprechen 30 bis 120 Minuten Arbeit, je nach Komplexität des Themas.“ Neben der beruflichen Hauptbeschäftigung fülle der Betrieb seines Kanals die Woche fast vollständig aus. 

Um so bedauerlicher, wenn die Videos dann aus fadenscheinigen Gründen gesperrt werden. Der Kanal „Idiotenwatch“ arbeitet sich ähnlich wie „Die Vulgäre Analyse“ intensiv an „Funk“ ab, dem Jugendangebot von ARD und ZDF auf Youtube. 80 Prozent seiner kritischen Videos zum Funk-Netzwerk seien zu irgendeinem Zeitpunkt gesperrt worden, weil diese eine angebliche Urheberrechtsverletzung meldeten, erzählt der „Idiotenwatch“-Macher  der  JF. Mit jedem seiner Einsprüche bei Youtube habe er jedoch Erfolg gehabt. Die Videos gingen wieder online, doch die ständigen Auseinandersetzungen kosten Zeit und Nerven. Wollen ARD und ZDF hier deutlich machen, wer am längeren Hebel sitzt? Immerhin 45 Millionen Euro investieren sie jährlich in ihre über 60 Kanäle bei Youtube, um dort, wie „Idiotenwatch“ es formuliert, „schwachsinnige linksradikale Standpunkte“ zu propagieren.

ARD und ZDF haben verstanden, welchen Einfluß Youtube gerade auf junge Leute hat. 90 Prozent der 12- bis 19jährigen nutzen die Plattform mehrmals die Woche. Den Fernseher hingegen schalten immer weniger Heranwachsende ein. Gerade deshalb sei es lobenswert, daß es „im vergangenen Jahr eine Art Explosion der patriotischen Youtube-Szene gegeben habe“, bekräftigt auch Martin Sellner von der Identitären Bewegung, dessen Kanal mittlerweile rund 80.000 Abonnenten zählt. „Dagegen hat die Linke eigentlich fast nichts vorzuweisen. All ihre Projekte sind staatlich finanziert, oder von sonstigen Stiftungen subventioniert.“

Von diesen Millionensummen können Youtuber aus dem patriotischen Lager freilich nur träumen. Fast alle Gesprächspartner haben ihr Projekt aus ideellen Beweggründen begonnen, finanzielle Unterstützung erhalten sie lediglich über Spenden von Zuschauern. „Wer Geld auf Youtube verdienen möchte, der sollte Koch- oder Schminkvideos produzieren“, spottet auch „Idiotenwatch“. Gleichzeitig demonetarisiert Youtube immer wieder aus fadenscheinigen Gründen alternative Kanäle, wodurch diese kein Geld über Werbung generieren können. 

Hart umkämpft an der Zensurfront ist momentan das geplante neue EU- Urheberrecht, das Firmen wie Youtube künftig für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haftbar machen will und Filterprogramme einführen könnte (JF 39/18). „Von der DSVGO, über die Upload-Filter bis hin zum NetzDG schießen nun fast monatlich neue Verordnungen aus dem Boden, deren einziges Ziel es zu sein scheint, den befreienden Effekt des Internets rückgängig zu machen“, beklagt auch Martin Sellner. „Aber man kann die Uhren nicht zurückdrehen“, ist er sich sicher. „Den Geist der alternativen Medien kriegt man nicht wieder in die Flasche zurück.“