© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Bis der Geduldsfaden reißt
Brexit, Euro-Debakel, Superwahljahr: Auch im Jahr 2019 bleibt Deutschland im Krisenmodus
Kurt Zach

Turbulent ging das Jahr 2018 zu Ende, stürmisch wird es im Politik-Jahr 2019 weitergehen. An markanten Ereignissen und spannungsreichen Wahlterminen herrscht kein Mangel. Die Politik tanzt sorglos auf dünner Grasnarbe über schwelenden Krisen, die jederzeit zum heißen Flächenbrand aufflammen können. Den Bürgern werden die Rechnungen für die Versäumnisse und Fehlsteuerungen der vergangenen Jahre präsentiert werden. Die Proteste der „Gelben Westen“ im Nachbarland Frankreich, mit denen das alte Jahr ausklang, sind ein erster Vorgeschmack darauf, daß der Geduldsfaden der Bürger zum Zerreißen gespannt ist.

Bereits am 29. März schlägt die Brexit-Stunde. Je länger die EU-Gewaltigen trotzig die Briten für den Austritt aus ihrem Klub bestrafen wollen, desto wahrscheinlicher wird ein „harter Brexit“ ohne Übergangsabkommen, sollte die angeschlagene Regierung von Premierministerin Theresa May nicht doch in letzter Minute kapitulieren, das Austrittsgesuch zurücknehmen und das von Brüssel ersehnte neue Referendum über die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs ansetzen.

Kommt es zum „harten Brexit“, wird man nicht nur in London erstaunt feststellen, daß sich die Welt auch ohne regulierungswütige Euro­kraten und den verhaltensauffälligen Kommissionspräsidenten weiterdreht, und womöglich sogar reibungsloser.

Die kombinierte Euro- und EU-Krise wird im Frühjahr wieder oben auf der Tagesordnung stehen und das Rennen um die Neuwahl des Europäischen Parlaments am 26. Mai prägen. Absehbar ist, daß der Wahlgang in einer Reihe europäischer Länder zum Siegeslauf für EU-skeptische und einwanderungskritische Parteien werden wird.

Die ungelöste Euro-Krise wird sich 2019 mit voller Wucht zurückmelden. Bis Griechenland die nächsten Hilfskredite braucht, ist es nur eine Frage der Zeit. Die italienische Bankenkrise kann jederzeit akut werden und das Euro-System in die Luft sprengen. Schon 2019 kann allerdings das Ende der Fahnenstange beim Aufblähen der Spekulationsblasen durch expansive Geldpolitik erreicht sein. Wie lange die deutschen Sparer und Steuerzahler unter den Daumenschrauben der finanziellen Repression noch stillhalten, ist die zweite offene große Frage.

In einem Klima verschärfter internationaler Konkurrenz und wachsender geopolitischer Spannungen zwischen den USA, Rußland und China bleibt Deutschland Getriebener fremder Interessen und nicht Akteur und bindet sich noch dazu ohne Not Mühlsteine um den Hals. Die milliardenfressende ideologisch motivierte „Energiewende“ und der irrationale Krieg gegen die Autoindustrie haben in Deutschland die Zeichen für 2019 auf Rezession gestellt.

Im kommenden Jahr treten in einer Reihe deutscher Großstädte Diesel-Fahrverbote in Kraft oder gelten weiter, von der industriestarken Schwaben-Metropole Stuttgart, Frankfurt und Darmstadt über Köln, Bonn, Essen, Gelsenkirchen und Aachen bis Hamburg und Berlin. Hinzu kommt die ungelöste Migrationskrise, deren Folgelasten sich längst zu astronomischen Milliardenbeträgen kumulieren. Die unkontrollierte Einwanderung in die Sozialsysteme geht leicht gebremst, aber noch immer auf hohem Niveau weiter und verursacht Jahr für Jahr weitere Zahlungsverpflichtungen.

Kaum verwunderlich also, daß die steuerzahlende Mittelschicht auch 2019 trotz Milliardenüberschüssen bei Steuern und Sozialabgaben nicht in nennenswertem Umfang mit der Rückgabe eines Teils der Beute rechnen kann. Die zum Jahreswechsel verbreiteten Jubelmeldungen, daß 2019 „die meisten mehr Geld in der Tasche haben“ würden, täuschen nicht darüber hinweg, daß Arbeitnehmer und Steuerzahler auch 2019 bis weit in den Juli hinein nur für den Staat arbeiten werden, der ihnen weit mehr abknöpft, als ihm zusteht.

Ein Politikwechsel ist mit der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer indes in noch weitere Ferne gerückt. Die Quittung dafür wird die CDU nicht nur am Europawahltag erhalten, auf den 2019 nicht nur die Bürgerschaftswahl in Bremen fällt, sondern auch die Bezirkswahlen in Hamburg und die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern werden im Frühjahr Kommunalvertretungen gewählt.

Wenn am 1. September sich nicht nur der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum achtzigsten Male jährt, sondern auch die Landtage in Brandenburg und Sachsen neu gewählt werden – und am 27. Oktober in Thüringen –, kommt noch einmal Dynamik in die politische Landschaft, die neben dem Abstieg der Union von der Selbstdemontage der SPD durch Aktionen wie das dritte Parteiausschlußverfahren gegen Thilo Sarrazin geprägt sein wird.

Der AfD werden in allen drei Landtagswahlen Ergebnisse über zwanzig Prozent zugetraut. In Sachsen könnte sie sogar stärkste Kraft werden; zumindest könnte eine Situation entstehen, in der ohne die AfD oder die Linke nicht regiert werden kann. Die konservative Sachsen-Union könnte dieses Dilemma zerreißen; spätestens im Herbst entscheidet sich, ob Kramp-Karrenbauer eine Übergangsvorsitzende bleibt und für wie lange.

Eine politisch motivierte Beobachtung, ganz oder in Teilen, durch den Verfassungsschutz, über die die Behörden im ersten Vierteljahr entscheiden wollen, könnte die AfD zwar bremsen, aber schwerlich aufhalten, sofern sie sich besonnen verhält, Angriffsflächen minimiert und nicht in die Radikalisierungsfalle geht.

Was immer geschieht, mit „Weiter so“-Merkelismus kann Deutschland sich nicht mehr lange durchwursteln. Um das vorherzusagen, muß man keiner jener Apokalyptiker sein, die für 2019 wieder mal den Ausbruch des dritten Weltkriegs vorhersagen.