© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Sie lieben doch alle Menschen
Linkspartei: Ausländer sollen rechtlich den Deutschen völlig gleichgestellt werden
Jörg Kürschner

In ihrer unendlichen Sorge um die Demokratie in Deutschland hat die Fraktion Die Linke jetzt das Grundgesetz ins Visier genommen, um „gerade in dieser Zeit des enormen Rechtsrucks (...), des sich verstärkt verbreitenden Rassismus und der steigenden Anzahl der Übergriffe auf Geflüchtete“ ein Zeichen zu setzen. Ihr Gesetzentwurf unter dem Motto „Grundrechte für alle“ zielt auf eine Änderung der „ungerechten und ausgrenzenden Verfassungslage gegenüber Nichtdeutschen“. Das Fazit der Linken: „Die Deutschen-Grundrechte sind daher in sogenannte Jedermann-Grundrechte umzuwandeln.“

Die Linke beklagt eine Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen, da bestimmte Grundrechte wie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Grundrecht auf Freizügigkeit und die Berufsfreiheit nur Deutschen zugesprochen werden. Sie sind als sogenannte Deutschen-Grundrechte ausgestaltet, anders als etwa die Meinungsfreiheit, die nach Artikel 5 Grundgesetz (GG) für alle Menschen gilt. Das macht die Formulierung „Jeder hat das Recht, seine Meinung (...) zu äußern“ statt „Alle Deutschen haben das Recht, sich (…) zu versammeln“ (Artikel 8 GG), deutlich.

Die angestrebten Verfassungsänderungen werden von der Linken eher politisch als juristisch begründet. Der „inhumanen Asylpolitik der Bundesregierung“ sowie der „Hetze durch rechte Kräfte“ müsse begegnet und der „historischen Verantwortung aus der NS-Zeit“ gelte es gerecht zu werden. Rechtlich stützt die Linke ihre Forderung auf die UN-Menschenrechtscharta, die vor genau 70 Jahren verkündet wurde. In der Tat enthält die Charta die Deutschen-Grundrechte, doch gelten die insgesamt 30 Artikel nach herrschender Ansicht als „Ideal, das keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts darstellt“. Die Charta ist also rechtlich nicht einklagbar. Entscheidend ist vielmehr der Wille des nationalen Gesetzgebers, im Fall des Grundgesetzes also der Parlamentarische Rat. Interessanterweise beruft sich die Linke dabei auf die Argumentation einer ihrer Vorläuferparteien, der KPD, die 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten worden war. Die Fraktion hatte 1948 im Parlamentarischen Rat erfolglos beantragt, das Versammlungsrecht auf „alle Menschen“ auszuweiten. 70 Jahre später dürfte der erneute Versuch wiederum scheitern, da für eine Grundgesetzänderung Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat erforderlich sind. Die CDU hat bereits ihre Ablehnung angekündigt.

Linke „will dem Land      seine Identität nehmen“

„Typische Symbolpolitik“, kommentierte der AfD-Rechtspolitiker Roman Reusch das Vorhaben der Linken, der es nur darum gehe, rechtliche Unterschiede zwischen Deutschen und Nichtdeutschen einzuebnen. Über die auf die AfD-Fraktion zielende Anmerkung in dem Entwurf, der Rassismus komme „inzwischen auch häufiger im Plenum des Bundestags zum Ausdruck“, kann der Parlamentarier nur lachen. „Was heute als rassistisch bezeichnet wird, fiel vor 20 Jahren noch unter Artikel 5 der Verfassung.“ Inhaltlich läßt der Jurist an der Vorlage kein gutes Haar. Wenn etwa Türken in Berlin gegen den Besuch von Staatspräsident Erdogan demonstrierten, sei das den Deutschen zustehende Grundrecht auf Versammlungsfreiheit tangiert. Könnten sich die Türken nicht wie derzeit nur auf einfache Gesetze, sondern auf Grundrechte berufen, bekomme dies aufgrund der Normenhierarchie eine andere Qualität, betonte der frühere Oberstaatsanwalt im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Dann seien Verbote oder Auflagen schwerer durchzusetzen, außenpolitische Interessen wären berührt, und man könne „Deutschland abschreiben“. 

Reusch untermauerte seine These, die Linke wolle dem Land seine Identität nehmen, mit dem Hinweis auf einen weiteren, kaum beachteten Linken-Gesetzentwurf zur „Stärkung der direkten Demokratie im Grundgesetz“. Danach soll Artikel 38 (Wahlrecht zum Bundestag) entscheidend verändert werden: „Wahlberechtigt sind deutsche Staatsangehörige, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, sowie Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wenn sie das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens fünf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten.“ 

„Das kann es doch wohl nicht sein“, erregte sich Reusch. Der „gewöhnliche Aufenthalt“ eines Ausländers als Kriterium für die Wahl zur höchsten deutschen Volksvertretung bedeute im Ergebnis, daß „der polnische Obdachlose, der fünf Jahre im Berliner Tiergarten auf Bank fünf linke Reihe lebt, bei der Bundestagswahl wahlberechtigt ist“.