© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schnurrendes Schmusekätzchen
Paul Rosen

Wenigstens die Kulisse stimmte. Im Gebiet um das oberbayerische Kloster Seeon schneite es, als die CSU-Bundestagsabgeordneten dort zu ihrer traditionellen Jahresauftaktklausur zusammenkamen. Das Tagungszentrum Seeon ist der Ersatz für das legendäre und in dieser Jahreszeit zumeist tief verschneite Wildbad Kreuth am Tegernsee, wo die CSU in den siebziger Jahren die – allerdings wenig später zurückgenommene – Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU beschlossen hatte. Die damaligen CSU-Granden Franz Josef Strauß und Friedrich Zimmermann sind schon lange Geschichte. Die erste Epigonen-Generation von Theo Waigel bis Edmund Stoiber beschwor zwar regelmäßig den Kreuther Geist einer streitbaren CSU, achtete aber wohlweislich darauf, daß dieser Geist nach kurzem Erschrecken der „Nordlichter“ (Strauß über CDU-Politiker aus Niedersachsen und nördlicher) wieder in die Flasche zurückkehrte. In diesem Jahr blieb er ganz in der Flasche. 

Die neue Führungsriege der CSU hatte kein Interesse daran, den seit Beginn der Flüchtlingswelle regelmäßig ausbrechenden Streit mit der CDU jetzt neu anzufachen. Allen war noch 2016 in Erinnerung, als Kanzlerin Angela Merkel nach Kreuth kam und sich schweren Angriffen ausgesetzt sah. „Angela, du machst die Union kaputt“, soll Stoiber gerufen haben. In Seeon war von Stoiber nichts zu hören. Auch der scheidende Parteichef Horst Seehofer beklagte nicht mehr die „Herrschaft des Unrechts“ in Berlin, sondern verbreitete lieber alte Geschichten über Klausurtagungen und etwas Wehmut über seinen Abschied als CSU-Chef. 

Das war ein Schlüsselsatz: Am 19. Januar wird die CSU auf einem Parteitag in München die Ära Seehofer beenden. Nach dem Ministerpräsidentenamt wird Markus Söder – und das ist unzweifelhaft – auch den Parteivorsitz von Seehofer übernehmen. Alle Anstrengungen der CSU-Führung konzentrieren sich auf eine geordnete Stabübergabe, denn der Streit um die Seehofer-Nachfolge im letzten Jahr dürfte sich im schlechten Ergebnis der Landtagswahl niedergeschlagen haben. Krach mit der CDU kann in Bayern im Moment keiner gebrauchen; bis zur Europawahl soll der Waffenstillstand wenigstens halten. Söder ließ bereits wissen, auf die früher üblichen Querschüsse verzichten zu wollen. Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer verspürte bei der Vorfahrt in Seeon kein Alpengrollen, sondern wurde von einem netten Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt empfangen. Mit ihm pflegt sie offenbar in Berlin ein gutes Verhältnis – von abendlichen Treffen mit Rotwein und Tagliatelle mit Trüffeln bei einem teuren Berlin-Mitte-Italiener ist die Rede. 

Im mediterranen Ambiente sollen sich vor allem junge CSU-Politiker längst wohler fühlen als im traditionellen bayerischen Wirtshaus. Doch die Kehrseite vom dolce vita in Berlin sind die Probleme in Europa, gerade in Italien und in Frankreich, die schnell in Berlin ankommen könnten. Daher ist der Auftritt des bayerischen Löwen als schnurrendes Schmusekätzchen nur eine Episode – eine kurze womöglich.