© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

Der ultimative Showdown kommt bestimmt
Wirtschaftsbuch: Der Finanzexperte Dirk Müller inspiziert die Welt vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten / „Mister Dax“ als neues Feindbild der Linksliberalen?
Felix Dirsch

Nicht schon wieder ein Crashkurs „Ökonomie“! Das mag sich mancher der zahlreichen Leser Dirk Müllers gedacht haben, als er vom neuen Buchprojekt seines Helden erfahren hat. Der bekannte Finanzberater, Bestseller-Autor, Redner und Berater hat in der Vergangenheit ein großes Publikum gefunden – auch als Autor der Netzsendung „crashkurs.de“.

Die Gründe für den Erfolg des Vielseitigen sind leicht anzugeben. „Mr. Dax“ ist weit über die Ökonomie hinaus umfassend informiert und versteht es ebenso kompetent, sein Wissen so verständlich wie möglich weiterzugeben. Sein Stil ist überaus angenehm. Viel Hintergrunderkenntnis wird präsentiert, die bei der alltäglichen Zeitungs- und Internetlektüre nicht selten unklar bleibt.

Reduziert an manchen Stellen die Komplexität

Obwohl der Wirtschafts- und Börsenerklärer in allen Veröffentlichungen die globale Perspektive nicht vergißt, bezieht Müller diesmal das weltweite politische Geschehen noch stärker ein. Am Anfang steht natürlich die gegenwärtig besorgniserregende Lage: Der Wert der heutigen Blasen beträgt ein Vielfaches von dem im Vorfeld der Finanzkrise von 2007/08. Mittlerweile ist es eher trivial, ein solches Szenario vorherzusagen und damit an die Öffentlichkeit zu treten. Einige prominente Auguren gab es schon vor über einem Jahrzehnt, etwa Max Otte. Über die grundsätzliche Prophezeiung hinaus Genaueres anzugeben ist schwierig. Ein Geologe ist zwar in der Lage, die Wahrscheinlichkeit eines Bebens vorauszuberechnen, weiß aber nicht, wann das Ereignis exakt eintritt. Derzeit ist von der größten Anleiheblase die Rede, die es je in der Geschichte gegeben hat. Die Kurse der Anleihen sind weit überbewertet, wie auch die Zinsen auf Anleihen lächerlich niedrig sind. Gerätselt wird im Moment, wann die 150-Billionen-Dollar-Anleihen-Blase platzt. Wir werden es merken.

Auch Chinas Wirtschaft ist im Sinkflug, wenngleich man dazu genauer hinschauen muß. Die über einen längeren Zeitraum hohen Renditen haben im jahrzehntelangen Boom-Land unvorstellbare Finanzsummen aufgehäuft. Der Parallelfall Japan (bis weit in die 1990er Jahre hinein) lädt zum Nachdenken ein. Wie in den USA ist Liquidität scheinbar grenzenlos, was allerdings auch ungeheure Fehlallokationen mit sich bringt, bekommen die zahllosen Staatsbetriebe (und auch andere) doch selbst bei roten Zahlen immer wieder frisches Geld – Erfolg spielt keine Rolle. Detailliert schildert der Autor, wie in wohl absehbarer Zeit Millionen Menschen, die den neuen Mittelstand Chinas bilden, ihre Immobilien in einem großen Knall verlieren werden. Die sozialen Konsequenzen dürften unübersehbar sein.

Müller reduziert an manchen Stellen die Komplexität, aber seine Thesen sind durch zahlreiche Fußnoten nachprüfbar. Ganz kann Müller sich der Faszination über eine überschaubare Zahl an Mächtigen im Hintergrund (etwa die nie bestrittene Unterstützung Emmanuel Macrons durch den französischen Privatbankchef David de Rothschild), die die Strippen ziehen, nicht entziehen. Man mag streiten, inwieweit sich alle Annahmen belegen lassen. Müller quasi als Verschwörungstheoretiker abzuqualifizieren und ein „Geschäft mit der Angst“ zu machen, wie es der 28jährige Wirtschaftsredakteur Jan Schmidbauer am 21. November auf einer kompletten Seite drei der Süddeutschen Zeitung getan hat, grenzt an Rufmord. Müller ist nicht nur ein hervorragender Analytiker, sondern auch ein für sein Metier ungemein belesener Mann. Immer wieder beruft er sich auf Gelehrte in Vergangenheit und Gegenwart. Als Beispiele sind der japanisch-österreichische Philosoph und Gründer der Paneuropa-Union, Graf Coudenhove-Kalergi, und der frühere US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski anzuführen. Letzterer vermittelt Müller die Relevanz der Geopolitik, die heute wieder aktuell ist.

Die wesentlichen Felder von Weltpolitik und -ökonomie werden erörtert. In der arabischen Welt spielen nicht nur religiöse Konflikte eine zentrale Rolle; vielmehr stellt sich die Frage, was zukünftig Staaten wie Saudi-Arabien, die noch im Geld schwimmen, tun werden, wenn der Ölpreis weiter sinkt. Schlimmer noch: Diese Ressource wird in nicht allzu ferner Zeit ersetzt durch andere Energiequellen, glaubt Müller.

Auch scheinbar zweitrangige Länder, jedenfalls in ökonomischer Hinsicht, wie Nordkorea und Birma (Myanmar), werden berücksichtigt. Angesichts dieses Weitblicks mutiert die immer noch ungelöste Eurokrise fast schon zum Regionalproblem. Die Schwierigkeiten der großen Völkerwanderung für Europa werden realistisch, aber ein wenig zu fatalistisch dargestellt.

Das Ende des Bargeldes ist absehbar

Der große Verkaufserfolg des „Machtbeben“-Buches hängt damit zusammen, daß Müller nicht nur die Zusammenhänge gut darstellt, sondern auch Ratschläge erteilt, wie der einzelne mit der Situation umgehen sollte. Mit vielen Tips bereichert der Verfasser seine Analysen. Unter Umständen kann die Krise sogar zur Chance werden. Auf das Verhalten des Betroffenen kommt es an! Dabei steht Vermögensschutz selbstredend an erster Stelle. Ein wenig überrascht, daß der Finanzprofi Gold- und Silberreserven nicht zu erwerben empfiehlt, anders als etwa der Libertäre Gerald H. Mann, Professor für Volkswirtschaftslehre an der privaten FOM Hochschule für Ökonomie und Management in Augsburg und München.

Ebenfalls interessant ist es, was Müller zu den aktuellen Debatten um den Dieselskandal und den Zwang zu Elektrofahrzeugen zu sagen hat. Er betrachtet den Wasserstoffantrieb als zukunftsfähiger im Vergleich zum Batteriefahrzeug, dessen erzwungener Siegeszug aufgrund der relativ einfachen Zusammensetzung seiner einzelnen Teile katastrophale Folgen für Deutschland haben könnte.

Das abschließende Kapitel behandelt einige Facetten der omnipräsenten Digitalisierung, die längst begonnen hat, unser aller Leben umzukrempeln. Das Ende des Bargeldes ist absehbar. Im weiter anwachsenden Onlinehandel ist es ohnehin nicht zu verwenden. Von den neuen Internet-Währungen, etwa Bitcoins, hält der Fachmann wenig. Insgesamt bieten aber Digitalisierung, Automatisierung und Grundeinkommen mehr Möglichkeiten als Gefahren. Müller bleibt Optimist, und der Leser dürfte davon in vielen Fällen angesteckt werden. Den neuesten „Müller“ bezeichnen etliche seiner Anhänger als den besten! Er hat es wirklich in sich und verdient erneut eine große Leserschaft.

Informationsportal von Dirk Müller:  www.cashkurs.com

Dirk-Müller-Deutschland-Tour 2019 „Laßt den Bullen los – Vom Sparer zum Aktionär!“:  www.semmel.de

Dirk Müller: Machtbeben. Die Welt vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten – Hintergründe, Risiken, Chancen, Heyne-Verlag München 2018, 347 Seiten, gebunden 22 Euro