© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

An den Karawanken Fakten schaffen
Ende 1918 besetzten jugoslawische Truppen Kärnten: Freiwillige im „Abwehrkampf“ schlugen Aggressoren zurück
Heiko Piller

Zwischen Waffenstillstand 1918 und den beginnenden Pariser Nachkriegskonferenzen versuchten viele Akteure in Ostmitteleuropa Fakten zu schaffen, das galt auch an der deutsch-slowenischen Sprachgrenze an Karawanken und oberem Drautal.

Noch bevor die provisorische Landesregierung Kärnten in ihrer Landesverfassung vom 11. November 1918 ihren Beitritt zur Republik Deutsch-österreich erklärte, drangen am 5. November überraschend Truppen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen in das Gebiet Südostkärntens ein. Die stark bewaffneten Truppen des SHS-Staates (serbokroatisch: Država Slovenaca, Hrvata i Srba) besetzten das Rosen- und untere Gailtal, Ferlach und das nördlich der Drau gelegene Völkermarkt. 

Die Klagenfurter Landesregierung verlegte daraufhin ihren Sitz nach Spittal an der Drau. Bereits am 5. Dezember 1918 beschloß die provisorische Kärntner Regierung unter Landesverweser Arthur Lemisch den bewaffneten Widerstand gegen ein weiteres Vordringen der feindlichen Truppen zu organisieren. Auf offizielle Unterstützung durch den neugegründeten Staat Deutschösterreich, welcher sich vor kurzem erst aus den Trümmern der Habsburger Monarchie erhob und noch mit den Folgen des Ersten Weltkrieges zu kämpfen hatte, konnten die Kärntner nicht hoffen. Das hungernde Deutschösterreich war sogar auf Lebensmittellieferungen aus Serbien und Kroatien angewiesen. Dennoch versuchte man aus Wien die Kärntner durch inoffizielle Materiallieferungen und Entsendungen von Freiwilligenverbänden zu unterstützen. 

Anfang 1919 bereits eine US-Kommission in Kärnten

Den militärischen Abwehrkampf leitete Oberstleutnant Ludwig Hülgerth mit der neu gebildeten Volkswehr. In den jugoslawisch besetzten Gebieten wurden die deutschen Bürgermeister und Schulleiter abberufen und die Gebiete der Laibacher Zivilverwaltung unterstellt. Deutsche Schulen, Zeitungen und Vereine wurden verboten. Darüber hinaus wurde das Standrecht eingeführt. 

Ab dem 13. Dezember 1918 kam es auf Befehl des Oberleutnants Hans Steinacher zum ersten Kanonenschuß im Abwehrkampf um Greifenstein.Trotz Gegenwehr konnten SHS- Truppen Greifenstein einen Tag später besetzen. Am folgenden Tag kam es zur Besetzung von Arnoldstein und der vollständigen Absperrung des Gailtales von Villach. Nach dieser Aggression der serbokroatischen Truppen wurde ein einstweiliger Waffenstillstand vereinbart, welcher jedoch bereits am 26. Dezember 1918 durch SHS-Truppen gebrochen wurde. 

Am Folgetag marschierten Freiwilligenformationen aus dem unteren Lavanttal und das Wolfsberger Volkswehrbataillon 10 in das untere Lavanttal bis Unterdrauburg und verjagten die SHS-Truppen. Anfang Januar 1919 wurde durch eine Vollzugsanweisung des deutschösterreichischen Staatsrates bekanntgegeben, daß das komplette Kärntner Gebiet zum Staatsgebiet Deutschösterreichs gehöre. Mit Beginn des 5. Januar 1919 begann sodann eine Offensive der Kärntner Volkswehrtruppen zur Befreiung weiterer besetzter Gebiete. Es erfolgte die erfolgreiche Befreiung von Arnoldstein, Fürnitz und Rosegg, das Villacher Volkswehr-Bataillon besetzte das Gebiet bis östlich des Faaker Sees. In den nächsten Tagen kam es zur Befreiung von mehreren Dörfern südlich des Wörthersees. Bis zum 14. Januar 1919 standen die Kärntner Truppen auf einer Linie nördlich des Drauverlaufs. Ein Angriff zur Befreiung Völkermarkts wurde jedoch durch SHS-Truppen blutig zurückgeschlagen. Dennoch war mit diesem Gebietsgewinn der Weg nördlich von Völkermarkt in das Lavanttal frei. 

Am 22. Januar 1919 traf die „Miles-Kommission“ unter Führung des US-Oberstleutnants Sherman Miles in Wien ein. Beide Kriegsparteien hatten zuvor einer unabhängigen Mission unter US-Führung zugestimmt, um die Gebietsstreitigkeiten aufgrund des von Präsident Woodrow Wilson proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Völker zu klären. Die vierköpfige Mission bereiste Ende Januar und Anfang Februar die umstrittenen Gebiete mit unterschiedlichen deutsch-slowenischen ethnischen Mehrheiten im Süden Kärntens. Am 7. Februar 1919 übergab Miles seinen Bericht an die zuständigen Stellen. Während der Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs am 17. Februars 1919 flammten aber schwere Abwehrkämpfe in verschiedenen Gebieten wieder auf.

Erst als Verstärkungen durch freiwillige Tiroler Jäger in Kärnten eintrafen, die seit dem Kriegseintritt Italiens 1915 gefechtserprobt waren, wendete sich das Blatt endgültig: Nun ging die Kärntner Volkswehr in die Offensive über und konnte trotz jugoslawischer Verstärkung aus Laibach große Geländegewinne erzielen. Bis Anfang Mai 1919 gelang die Befreiung von Völkermarkt. Die angeschlagenen serbokroatischen Truppen sammelten sich noch östlich von Völkermarkt und begannen nun mit der artilleristischen Beschießung der Stadt, wodurch es zu schweren Sachschäden und vielen Toten unter der Zivilbevölkerung kam. Dennoch ging der Angriff weiter und die feindlichen Truppen wurden weiter in Richtung Karawanken zurückgedrängt. Am 7. Mai 1919 meldeten die Befehlshaber des Abwehrkampfes nach Wien: „Kein Jugoslawe steht mehr auf Kärntner Boden!“

So wurden bei der Konferenz von St. Germain im Herbst 1919 nur kleinere Gebiete an der Drau direkt an Jugoslawien abgetreten. Im größeren, zuvor besetzten Teil Kärntens wurde für 1920 eine Volksabstimmung verfügt. Trotz der wiederholten Besetzung jugoslawischer Truppen im Sommer 1919, diesmal sogar bis Klagenfurt, stimmte die Mehrheit – auch der slowenischsprachigen Kärtner – im Herbst 1920 für den Verbleib bei Österreich.