© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Bedingt aufklärungsbereit
Bundeswehr: Untersuchungsausschuß zur Berateraffäre kommt / Ministerin bleibt gelassen
Peter Möller

In diesem Jahr entscheidet sich die politische Zukunft von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die durch die Berateraffäre (JF 47/18) in ihrem Ministerium schwer angeschlagene CDU-Politikerin wird sich demnächst den Fragen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses stellen müssen. Nachdem sich FDP, Grüne und Linke in der vergangenen Woche auf einen gemeinsamen Antrag für ein solches Gremium geeinigt hatten, stand dessen formale Einsetzung an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses (eine Entscheidung lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor). Die AfD, die schon früher dafür plädiert hatte, wurde von den anderen Oppositionsparteien bewußt außen vor gelassen.

Wie ernst die Verteidigungsministerin die Lage einschätzt, zeigt sich daran, daß sie mittlerweile peinlich genau darauf bedacht ist, nicht den Eindruck zu erwecken, sie würde etwas vertuschen. „Er sollte möglichst öffentlich tagen, daß volle Transparenz herrscht und sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann, was an den Vorwürfen dran ist“, sagte von der Leyen zum Jahreswechsel der Rheinischen Post. Denn als einziger Ausschuß des Bundestages hat der in Artikel 45a des Grundgesetzes verankerte Verteidigungsausschuß das Recht, sich zum Untersuchungsausschuß zu erklären. Und da er grundsätzlich nicht öffentlich tagt, müßte für den Untersuchungsausschuß zur Berateraffäre dieses Prozedere geändert werden. Dafür hat von der Leyen jetzt vorsorglich den Weg geebnet.

Hohe Quote an Vergaberechtsfehlern

Das Gremium muß den von der Ministerin initiierten Einsatz externer Berater aufklären, die für ihre Arbeit über einen Rahmenvertrag der Bundeswehrtochter BWI über Jahre hinweg einen dreistelligen Millionenbetrag erhalten haben sollen. Ins Rollen gebracht hatte die Affäre im vergangenen Jahr der Bundesrechnungshof. Zwei Jahre lang hatte dessen Prüfer 56 Verträge mit einem Umfang von 93 Millionen Euro unter die Lupe genommen und zahlreiche Unstimmigkeiten festgestellt.

Trotz der Schwierigkeiten, die ihr die Entscheidung eingebrockt hat, Berater in das Ministerium zu holen, hält von der Leyen den Entschluß immer noch für richtig – zumindest sagt sie das. „Wenn wir wichtige Projekte der Modernisierung und Digitalisierung im notwendigen Tempo vorantreiben wollen, brauchen wir auch Beratung und Unterstützung von externen Fachleuten“, lautet ihr Argument. Gleichzeitig räumt die Ministerin ein, daß die hohe Quote an Vergaberechtsfehlern – 55 Prozent der Beraterverträge waren nach jetzigem Kenntnisstand rechtswidrig – zu Recht kritisiert wird. „Das hätte einer Verwaltung nicht passieren dürfen; da haben Qualitätskontrollen versagt“, sagte von der Leyen und sprach von einer „Laxheit“ im Umgang mit dem Rahmenvertrag. 

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses werden sich mit einer solch nonchalanten Erklärung kaum zufriedengeben. Das gilt um so mehr für den Verdacht der Vetternwirtschaft beim Zustandekommen von Beraterverträgen. Ein Vorwurf, den die Verteidigungsministerin weit von sich weist. Dabei gibt es auffällige Konstellationen, die persönliche Verstrickungen und mögliche Vorteilsnahmen durchaus möglich erscheinen lassen.

Im Zentrum des engen Geflechtes aus Ministeriumsmitarbeitern, Beteiligungsgesellschaften und Beratern (siehe Grafik) steht dabei die ehemalige Verteidigungs-Staatssekretärin Katrin Suder, die zuvor für das Beratungsunternehmen McKinsey gearbeitet hatte. Mit ihrer Weigerung, vor dem Verteidigungsausschuß zur Berateraffäre auszusagen, hatte Suder im Dezember den letzten Anstoß für einen Untersuchungsausschuß gegeben, dem sie sich dann nicht entziehen könnte. 

Demnach erhielt die Beratungsfirma Accenture in den vergangenen zwei Jahren Millionen aus dem Bundeswehr-Etat für IT-Strategieberatung. Der dafür verantwortliche Accenture-Manager Timo Noetzel unterhielt Medienberichten zufolge enge Verbindungen zu Suder. Eines seiner Kinder sei zudem Patenkind des früheren Abteilungsleiters Planung im Verteidigungsministerium, General Erhard Bühler. Dieser räumte dem Vernehmen nach bei seiner Befragung im Verteidigungsausschuß ein, seit langem mit Noetzel befreundet zu sein. Zwar sei er Pate gleich mehrerer Kinder des Beraters, wisse Berufliches und Privates aber strikt zu trennen. Suder und der Abteilungsleiter sollen sich besonders für Aufträge an Accenture eingesetzt haben. Ein Beispiel ist das millionenschwere  Beratungsmandat bei der Umsetzung des sogenannten Produktlebenszyklusmanagments (PLM). Mit diesem wichtigen Digitalisierungsvorhaben will das Verteidigungsministerium dafür sorgen, daß Waffensysteme künftig nicht mehr so häufig ausfallen.

Laut Spiegel belegen Unterlagen des Bundesrechnungshofs und des Ministeriums, auf welchem Weg General Bühler seinem Duzfreund Noetzel den Zuschlag für das PLM-Projekt verschaffte. Demnach umging das Verteidigungsministerium bei der Auftragsvergabe die grundsätzlich vorgeschriebenen Ausschreibungen, indem die Berater als Subunternehmer einer IT-Firma angeheuert wurden. Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes entstand dadurch ein wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe. Mittlerweile steht der Vorwurf der Untreue im Raum. 

Der 41 Jahre alte Noetzel hat trotz seines „jugendlichen“ Alters bereits eine schillernde Karriere mit zahlreichen Stationen hinter sich. Vor seinem Aufstieg zum Chef-Berater des Verteidigungsministeriums war er unter anderem Leiter des Politik- und Analysestabs der Münchner Sicherheitskonferenz sowie Vorstandsmitglied der Berliner Denkfabrik „Stiftung Neue Verantwortung“. Im Februar 2013 wechselte Noetzel dann in das Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Weitere Stationen waren die Stiftung Wissenschaft und Politik, die Universität Konstanz sowie der Bundestag, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war.

Die nächste interessante Personalie in dem Berater-Geflecht ist der Geschäftsführer der BwConsulting, der internen Beratungsgesellschaft der Bundeswehr, Philip von Haehling. Bevor Haehling in das Verteidigungsministerium wechselte, war er 15 Jahre ausgerechnet bei Accenture beschäftigt, zuletzt als „Managing Director“ für „Strategy Consulting Public Service“. Die Zusammenarbeit zwischen Haehling und Noetzel dürfte auch aus diesem Grund wie geschmiert laufen.

Auch die Beziehungen zwischen Suder und dem Berater Oliver Triebel vom Beratungsunternehmen Lead, das ebenfalls für das Verteidigungsministerium arbeitete, ist äußerst eng. Beide kennen sich seit rund zehn Jahren und haben gemeinsam für McKinsey gearbeitet, bevor Suder ins Ministerium wechselte und Triebel zu dessen Auftragnehmer wurde. 

Ein überaus enges Verhältnis hat Suder zu einem weiteren Top-Berater im Dienste des Verteidigungsministeriums: Ulrich Meister. Der ehemalige Telekom-Manager wurde 2016 als Geschäftsführer der Bundeswehr-Tochterfirma BWI, dem Internetdienstleister der Streitkräfte, geholt. Die Personalie Meister, den Suder ebenfalls aus ihrer Zeit bei McKinsey kennt, sorgte bereits bei dessen Berufung aufgrund der persönlichen Nähe zu Suder und des üppig ausgestatteten Vertrages des Top-Managers für Unruhe in der Bundeswehr. Schon damals war von „Kumpanei“ die Rede. Das Ministerium beteuerte indes, die Kandidatenauswahl sei „nach objektiven Kriterien“ erfolgt. Persönliche Bekanntschaften hätten nur „eine nachgeordnete Rolle“ gespielt. 

Von der Leyen spricht angesichts dieser zahlreichen Verbindungen lieber von „Kenn-Verhältnissen“. Da diese einen unschönen Anschein erweckten, müsse selbstverständlich genau geprüft werden, ob diese Verhältnisse irgendeinen Einfluß auf die Leistung und die Konditionen gehabt hätten. „Was wir bisher wissen, ist, daß es sich um anerkannte Fachleute handelte, die zu marktüblichen Preisen für die Bundeswehr gute und notwendige Leistungen erbracht haben. Für mehr fehle „immer noch jeder handfeste Beweis“. Die Oppositionsvertreter im Ausschuß werden alles daransetzen, diesen zu erbringen. Denn am Ende, das weiß auch von der Leyen, trägt sie die volle politische Verantwortung.