© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

„Wir werden um den Industriestandort Saarland kämpfen“
Autoindustrie: Ford kündigt massiven Stellenabbau in Europa an / Nutzfahrzeuge und SUV laufen, aber Mini-Vans und klassische Pkws bringen keinen Gewinn mehr
Christian Schreiber

Es war ein Erfolgsjahr für Ford in Deutschland: Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen stieg 2018 – bei ingesamt schrumpfendem Markt – um 2,3 Prozent auf 252.323. Der Marktanteil kletterte um 0,2 Prozentpunkte auf 7,3 Prozent. Das war knapp hinter Audi (7,4 Prozent) und klar vor Opel (6,6 Prozent) und Škoda (5,7 Prozent). Die Modelle Focus (49.234 Zulassungen) und Fiesta (47.241) sowie ein Grünenschreck – der 1,7-Tonnen-SUV Kuga (42.298) – waren für 55 Prozent des Deutschlandabsatzes verantwortlich. „2018 war für uns das sechste Jahr in Folge, in dem Ford im deutschen Markt gewachsen ist“, jubelte Verkaufschef Hans-Jörg Klein.

Und im Herbst wird es 90 Jahre her sein, daß der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer den US-Autobauer, der bis dato nur eine Niederlassung in Berlin hatte, in die Domstadt holte. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr ziehen dunkle Wolken auf. Daß die Absatzzahlen von Ford in Europa steigen, reicht der Ford-Führung in Dearborn (Michigan) nicht. Der US-Konzern beobachtet die Entwicklung in Europa mit Argwohn, nachdem der US-Rivale General Motors seine defizitäre Europatochter Opel/Vauxhall an den französischen PSA-Konzern (Peugeot/Citroën/DS) verkauft hat (JF 29/18).

„Wenn man auf die zurückliegenden Jahrzehnte zurückblickt, war Ford in Europa nie nachhaltig profitabel“, sagte Ford-Europachef Steven Armstrong vorige Woche. Das hat Gründe. In der Heimat ist Ford mit seiner F-Serie (fünf bis sechs Meter langen 2,5-Tonnen-Pick-ups mit Sechs- und Achtzylinder-Benzinmotoren) Marktführer im wichtigsten Fahrzeugsegment. 1,06 Millionen wurden davon 2018 in Nordamerika abgesetzt – so viel wie nie zuvor.

Doch in Europa ist Ford mittelmäßig. Billig gehe immer, sagen Branchenexperten und teuer auch. Aber die Mitte habe es schwer. Von den rund 50.000 Ford-Arbeitsplätzen in Europa werde „eine beträchtliche Anzahl“ wegfallen, verkündete Armstrong. In Deutschland zählt Ford zirka 24.000 Beschäftigte: in Köln-Niehl (Stammsitz, Fiesta- und Motoren-Fertigung), Köln-Merkenich (Entwicklungszentrum seit 1968), Saarlouis (Focus, C-Max). Spätestens zur Jahresmitte sollen Einzelheiten feststehen.

2014 wurden die Fabrik im flämischen Genk und zwei Standorte in England mit insgesamt 5.700 Beschäftigten abgewickelt. Der Absatz in Europa läuft gut – aber mit betriebswirtschaftlichen Verlusten. Das Geschäft mit Nutzfahrzeugen (Transit, Tourneo, Ranger) und SUV (Kuga, Ecosport, Edge) sei profitabel, aber weit davon entfernt, um die anderen Verluste auszugleichen, verkündete Armstrong. Das mit Minivans (C-Max, Galaxy) und klassischen Pkws sei defizitär. Gleichzeitig sollen alle Autos künftig auch in einer E-Variante (Hybrid oder rein elektrisch) angeboten werden.

„Ford kann mit dieser Aufstellung nicht in die Zukunft gehen“, glaubt Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Die Entwicklungskosten seien zu hoch für den mittelmäßigen Europa-Absatz. Der Autoexperte kann sich eine Aufspaltung des Unternehmens in eine Nutzfahrzeugsparte vorstellen, die Ford weiter allein führe. Für Pkws benötige Ford einen Partner. Schon bei der Produktion und Entwicklung der ersten Galaxy-Generation (1995–2006) kooperierte Ford mit VW, nun wollen beide in den USA und bei der E-Mobilität zusammenarbeiten. Daß Ford sein Europageschäft an einen Mitbewerber abstößt, hält Dudenhöffer „für hochspekulativ, aber perspektivisch nicht ausgeschlossen“.

Die Konzernspitze dementiert dies: „Wir ergreifen entschlossene Maßnahmen, um das Ford-Geschäft in Europa zu transformieren“, versprach Armstrong. In Saarlouis, wo C-Max und Grand C-Max ersatzlos auslaufen werden, könnten 1.600 von 6.500 Stellen wegfallen. Ford und seine Zulieferer (2.000 Stellen) sind im Saarland zusammen der größte Arbeitgeber. „Wir werden um den Industriestandort Saarland kämpfen“, erklärte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) in seiner Rede beim Neujahrsempfang.

In NRW hofft Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), daß Ford weiter in Köln investiert und „das Werk der größte Standort des Unternehmens in Europa bleibt“. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Ford hat 2018 global sechs Millionen Autos verkauft. „Zuwenig für eine führende Rolle“, findet Dudenhöffer. Denn das ist im Vergleich zu Toyota, VW und Renault/Nissan auch nur Mittelmaß.

Ford-Standorte in Deutschland:  ford.de