© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Pankraz,
die Vollidioten und der Weltpolizist

Als einen „Vollidioten“ bezeichnete kürzlich Ulrich Gumbrecht, Professor für Komparatistik an der kalifornischen Stanford-Universität, den US-Präsidenten Donald Trump, nicht zuletzt deshalb, weil sich dieser in seiner lautstark-populären Art entschieden weigere, die ihm angetragene Rolle des „Weltpolizisten“ zu übernehmen. Die USA, so Trump, seien nicht dazu da, sich überall auf der Welt einzumischen und „für Ordnung zu sorgen“. Sie hätten ihre eigenen Sorgen, und er als ihr Präsident sei dafür gewählt worden, sich primär um diese zu kümmern. „America first!“

An sich ist das kein unsympathischer Standpunkt, der auch den in den Medien herrschenden Linken einleuchten müßte. Große, mächtige Staaten, die sich zu „Imperien“ aufplustern, andere Staaten und Völker mit Krieg überziehen, angeblich um ihnen die „wahre“ Kultur und Herrschaftsform zu bringen, werden von der modernen Politologie nicht zu Unrecht als  Störenfried und Katastrophenbringer eingeschätzt, die notwendige Reformen und Anpassungen eher verhindern, statt sie zu befördern.

Daran änderte auch nichts der Untergang der Sowjetunion nach 1989 und die anschließende Umwandlung des Kommunismus in eine Art National-Kapitalismus in anderen Ländern. Der damals (1992) von Francis Fukuyuma herausgebrachte Weltbestseller „Das Ende der Geschichte“ erwies sich als die wohl größte Fehlinformation, die je unter die Leute gebracht wurde. Fukuyama hat es inzwischen selbst eingeräumt.

 

Er stellte die Dinge seinerzeit so dar, als sei nun der Kampf um differenzierte, sich aus der jeweiligen konkreten Situation und Tradition ergebende Lebensformen ein für allemal beendet, als gäbe es jetzt nur noch eine einzige, nämlich die siegreiche „westliche“, will sagen: amerikanische Politik und Lebensweise, die Pax Americana. Das genaue Gegenteil war der Fall, und deshalb rufen die heutigen Pax-Americana-Strategen schier verzweifelt nach dem amerikanischen Weltpolizisten, der die vielen Abweichler, in welcher Gegend auch immer, zur Räson bringen soll, auch unter Einsatz militärischer Mittel.

Die wahrhaft dröhnende Pointe der Angelegenheit ist nun aber: In Amerika selbst ist man zunehmend nicht mehr bereit, die Rolle des Weltpolizisten zu spielen. Der Präsident des Landes muß erfahren, daß diese Rolle dem eigenen Land keineswegs nutzt, sondern vielmehr eminent schadet. Ehemals eng verbündete Nationen sparen ihre Staatssicherheitskosten ein mit der Phrase: „Wir haben ja den Weltpolizisten Amerika.“ Konkurrenten beim Kampf um die „Weltherrschaft“ vom Schlage Chinas hingegen amüsieren sich nur noch über den armen Polizisten mit seinen Wasserwerfern – und gehen ungeniert ihren eigenen Geschäften nach.

Im Land des Weltpolizisten aber wird die einst staats- und stilbildende weiße Mittelschicht immer ärmer und einflußloser. Die laut Medienecho angeblich unabwendbare „Globalisierung“ von allem und jedem spült Massen unausgebildeter Armutsflüchtlinge herein, die allenfalls noch von der Großindustrie als Knopfdrücker zu Niedrigstlöhnen angestellt werden können. Ausländische Auto- und Batteriekonzerne verdrängen einheimische Unternehmen auf breitester Front. Ganze  einst blühende Industriestädte und Wirtschaftsregionen veröden und verfallen bis zur Unansehnlichkeit.

Falls sich das in der jetzt währenden Ära Trump peu à peu ändern würde, käme tatsächlich ein neuer Wind in die Weltpolitik. Man könnte dann fast schon von einer historischen Wende sprechen. Die von so manchem „Elite“-Mitglied in Washington einst so sehr erhoffte (und jetzt so sehr vermißte) Pax Americana, ohnehin von Anfang an nichts weiter als ein schnödes Herrschaftsinstrument, würde zwar endgültig ins Archiv für überholte Ideologeme abwandern, aber es gäbe aller Wahrscheinlichkeit nach glücklicherweise keinen Nachfolger, auch die Chinesen nicht, von den neuen Europäern ganz zu schweigen.


Weltpolizisten werden nicht gebraucht, so wenig wie Weltenherrscher. Von deutscher Seite ist übrigens nie, auch in den finstersten Zeiten nicht, ein politischer Anspruch erhoben worden, die globalen Verhältnisse mittels Militäreinsatz und „Soft Power“ einem einheitlichen Modell, nämlich dem eigenen, anzupassen und jederlei Widerstand dagegen gewaltsam zu unterdrücken. Auf amerikanischer Seite geschah das sehr wohl, sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern; Clinton-Clan und Bush-Clan zeigten sich darin vollkommen ebenbürtig. Die äußerst agressiv ideologisierenden „Neo-Cons“ der Bush-Ära waren darin die Schlimmsten. 

Insofern ist es hochinteressant zu beobachten, ob jetzt unter Trump die Neo-Cons von den „Alt Rights“ zurückgedrängt werden, denn diese argumentieren nicht aggressiv und neo-imperialistisch, sondern im Gegenteil eher vaterländisch und ethnokulturell. Nicht politische Wahl- und Organisationformen stehen bei ihnen im Fokus, sondern kulturelle Überlieferungen und Bestände. Nicht mehr „Einheit in der Vielfalt“ lautet die Parole, sondern „Vielfalt in der (allgemein-anthropologischen) Einheit. Das Prinzip der Freiheit rangiert eindeutig vor dem Prinzip der Gleichheit.

Noch ist natürlich alles im Fluß, spektakuläre Ausschläge in diese oder jene Richtung sind zu erwarten, überraschende Variationen an sich gewohnter Programmatik. Viel wird zweifellos vom „Vollidioten“ Donald Trump abhängen. Seine viel behöhnte tagtägliche Twitterei, seine Spontaneität und sein volles Sicheinlassen auf den erlebten Augenblick – all das könnte sich auf das politische Klima des Landes, allen Unkenrufen zum Trotz, durchaus positiv auswirken. Man redet nicht mehr um die Sachen herum, sondern endlich über die Sachen selbst.

Und der Präsident des Landes hat bereits in aller Öffentlichkeit auf Weltherrschaft und Weltpolizei verzichtet; eine Großtat, wegen der er in Erinnerung bleiben wird – und um die auch Chinas Xi Jinping nicht herumkommen wird. Vollidioten sehen schließlich anders aus.