© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Die AfD-Beobachtung erlaubt mehrere Perspektiven. Hämisch müßte es jetzt lauten: „Hast fein gemacht, hast fein gemacht, ab jetzt wird auf dich aufgepaßt!“ Andererseits ließe sich die Prüfung durch den Verfassungsschutz als politischer TÜV sehen: Die Partei wird staatlich anerkannt. Im Ernst: Wie absurd manche Vorwürfe sind, die eher dem Tatbestand der „Volksverletzung“ das Wort reden, demonstriert der Neujahrsempfang der AfD-Fraktion des Sächsischen Landtages. So zieht der Co-Vorsitzende der AfD Alexander Gauland eine klare Linie: „Alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat, damit hat die AfD nichts zu tun.“ Mit Blick auf den „Prüffall“, dessen zugrundeliegender VS-Bericht einzelnen Medien zugespielt wurde, während der AfD die Einsicht dieser Anklageschrift verweigert wird, kommentiert er entsprechend: „Ist das noch ein Rechtsstaat, wo der Beschuldigte sich nicht wehren kann gegen die Vorwürfe, die ihm gemacht werden?“ Brandenburgs Landeschef Andreas Kalbitz beschwört derweil, die AfD werde „den Ländern, nicht nur im Osten, das blaue Wunder bescheren, das sie sich redlich verdient haben“. Dies ist auch dringend nötig, wird die AfD laut Gauland doch bedroht durch die „Garotte“.


Zurück in Berlin treffe ich im Café des Sowjet-Sektors die reizende „Generalistin“ mit Barett, eine französische Fremdsprachenlehrerin, die wie ich jede Zeitung von vorn bis hinten liest. Mit Blick auf den Euroraum (und ihre Schüler des diplomatischen Betriebs) erläutere ich ihr den Begriff der „Sollbruchstelle“. Weg von Merkel, denke ich wenig später an einen Gastronomieführer unter dem Titel „Wirtschaften das!“ Davor steht aber das „Hausverbot“: Dieses, so zwei junge Frauen am Nachbartisch, die sich verzweifelt über ihre „geflüchteten“ Zöglinge austauschen, sei aber auch kein Wort, das einfach zu verstehen sei. Augenblicklich denke ich an das vielbeschworene „Europäische Haus“. Offenbar ist der Begriff nicht übersetzbar. Anders die Propaganda-Sprache. So erklärt mir eine Jugendbuchautorin, die über islamische Radikalisierung geschrieben hat, die Videos des IS besäßen dieselbe Machart und Botschaft wie die der Identitären Bewegung (IB). Bewußt wird mir diese Nähe, als ich tags darauf im IBIS-Hotel übernachte. Entsprechend blüht meine Phantasie, als ich die Autorin mit ihren zwei edlen Dackeln wiedertreffe: Ich stelle mir einen Fantasy-Film über die einstige IS-Hochburg vor, wo dieses schöne wie herrschaftliche Dackelpaar eine Schreckensherrschaft über die Moslems ausübt: „Die kleinen Racker von Raqqa.“