© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Zwischenspiel aus Mensch und Technik
Das Fraunhofer-Institut hat „Fake News“ analysiert und Handlungsempfehlungen erarbeitet
Christian Schreiber

Im Kampf gegen sogenannte Fake News hat das renommierte Forschungs-Institut Fraunhofer aus Darmstadt die ersten Ergebnisse seines 2017 ins Leben gerufenen Projekts DORIAN präsentiert. Das primäre Ziel der Initiative, die mit einem Millionen-Betrag des Bildungsministeriums gefördert wird, ist es vor allem, die technischen Möglichkeiten zu schaffen, um sogenannte „malicious social bots“ sicher erkennen zu können. Dabei handelt es sich um Programme, die menschliche Kommentatoren automatisiert simulieren, um gezielt manipulative Botschaften massenhaft zu verbreiten und zu teilen. Schlimmstenfalls werden dann Kommentarfunktionen abgeschaltet.

Schärfere Gesetze braucht es aber nicht

 „Wir zielen darauf, die ‘Simulation von Journalismus’ technisch aufzudecken sowie sozialen Netzen aufzuzeigen, wie sie radikalisierende, volksverhetzende und beleidigende Kommentare schneller finden können“, sagt Projektleiter Michael Kreutzer. Er gesteht aber auch ein, daß sich die Maßnahmen noch in den Kinderschuhen befänden: „Hierzu müssen technische Mechanismen entwickelt werden, die dies quantitativ und qualitativ auf den verschiedenen Desinformationskanälen ermitteln können.“ Mittelfristig sei im Kampf gegen Falschmeldungen ein Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine unerläßlich. Den Wissenschaftlern ist es laut Institut gelungen, Webinhalte zu kategorisieren und „die ursprüngliche Autorschaft eines leicht modifizierten Textfragments zu finden“. Langfristig müsse es auch möglich sein, das erste Vorkommen eines Bildes nachzuweisen, das in einem anderen falschen Kontext erscheint.

Das Projekt DORIAN habe das Phänomen Desinformation im deutschsprachigen Raum analysiert und festgestellt, „welchen Beitrag Bürgerinnen und Bürger, Medien, Politik und Gesetzgebung sowie weitere Forschung zur Aufdeckung und Bekämpfung online verbreiteter Desinformation leisten können und sollten“. In dem kürzlich veröffentlichten Papier „Desinformation aufdecken und bekämpfen“ werden dabei für diese vier Adressaten Handlungsempfehlungen herausgegeben. Das Kapitel „Bürgerinnen und Bürger“ soll dabei helfen, daß der Otto-Normalverbraucher Falschmeldungen besser erkennen kann. 

Die Empfehlungen reichen von einfachen Dingen wie der Kontrolle eines Impressums bis zur Kontrolle ordnungsgemäßer Quellenangabe bei Bildern. Vorsicht sei geboten, wenn Meldungen besonders reißerisch dargestellt würden. „Im Vergleich zu Meldungen, die von professionellen journalistischen Nachrichtenmedien verbreitet werden, weisen Desinformationen auf deutschsprachigen Portalen im Durchschnitt deutlich höhere Anteile nutzermaximierender Merkmale auf – wie etwa Sensationalismus oder die Skandalisierung von Ereignissen“, heißt es. 

Entscheidend für einen objektiven Blick sei es dabei, die „eigene Filterblase“ zu verlassen. Wer sich nicht von Desinformation täuschen lassen möchte, solle sich ein vielfältiges Medienrepertoire zusammenstellen, das sich aus unterschiedlichen Quellen zusammensetzt. „Insbesondere durch das Lesen von verschiedenartigen Posts aus unterschiedlichen Quellen auf Online-Plattformen können Nutzende Informationen außerhalb ihrer Filterblase erhalten, ohne daß ihre Weltanschauung dabei notwendigerweise konkret angegriffen wird.“ Jeder Internetnutzer habe darüber hinaus auch die Verantwortung, Falschmeldungen nicht weiterzuverbreiten. 

Die Medienschaffenden werden von den DORIAN-Verantwortlichen zu sorgfältiger Recherche ermahnt. „Hierzu gehört zum einen, der sorgfältigen Prüfung von Fakten im Zweifel den Vorzug zu geben vor einer möglichst schnellen Veröffentlichung einer Nachricht – auch im gerade in dieser Hinsicht harten Wettbewerbsumfeld auf Online-Märkten.“ Dies zahle sich mittelfristig in einer höheren Glaubwürdigkeit aus. Jede fehlerhafte Meldung schwäche die Glaubwürdigkeit von seriösen Medien, faktenbasierte Berichterstattung dagegen stärke sie. Seriöse Medien könnten darüber hinaus Stärke zeigen, wenn sie Fehler einräumen und mit den Nutzern interagieren. Ein breites Meinungsspektrum in den Kommentarfunktionen sei dabei hilfreich. 

Den rechtlichen Rahmen sehen die Forscher unterdessen bereits weitgehend ausgeschöpft. Ein größerer Korrekturbedarf hinsichtlich der materiellen Rechtslage bestehe nicht. „Eine neue, pauschale rechtliche Regelung zu Desinformation neben den bereits vorhandenen Straftatbeständen erscheint ebensowenig erforderlich wie praktisch realisierbar“, heißt es. Im Rahmen des NetzDG seien allerdings Nachbesserungen notwendig, um den Schutz von Autoren zu erhöhen, deren Beiträge zu Unrecht gesperrt oder gelöscht worden seien. Großen Handlungsbedarf sieht das Fraunhofer-Team allerdings auf dem technischen Sektor.  Die Ereignisse von Chemnitz 2018 hätten gezeigt, wie nötig das sei. Die Forschung sei hier schlicht und ergreifend vernachlässigt worden.