© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/19 / 25. Januar 2019

Späte Gerechtigkeit für Gerd Heidemann?
„Hitler-Tagebücher“: Der „Stern“ arbeitet den Skandal in einem Podcast auf / Entlastendes Material war schon vorher zugänglich
Paul Leonhard

Ob sich die Chefredaktion der Illustrierten Stern demnächst bei ihrem einstigen Starjournalisten Gerd Heidemann entschuldigen wird? Beispielsweise für das Unrecht, das dem inzwischen 87jährigen 1983 im Prozeß um die gefälschten „Hitler-Tagebücher“ angetan wurde? Damals weigerte sich das Landgericht Hamburg, Entlastungsmaterial in das Verfahren einzuführen. 

Vom Anfang der Tagebuch-Affäre bis heute sei Heidemann von „seinen einstigen Verlagskollegen auf erschreckende Weise verunglimpft worden: durch gezielte Lügen, in Auftrag gegebene Urkundenfälschungen und sogar Meineide“, schreibt Gerhard Klußmeier zusammenfassend zu seinem 2013 im Eigenverlag erschienenen Buch „Dieb – Einbrecher – Hochstapler – Lügner –Betrüger – Fälscher. Das wahre Gesicht des Konrad Kujau“. Klußmeier hatte seinem Buch die wichtigsten Tonbandschnitte über die Gespräche zwischen Heidemann und Kujau auf CDs beigefügt.

Nun hat sich auch der Stern jenes Kapitels seiner Geschichte entsonnen. Seit dem 10. Januar wird jeweils donnerstags ein Stück des zehnteiligen Podcasts „Faking Hitler – die wahre Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher“ veröffentlicht. Man sei vor einem Jahr auf das Material gestoßen und habe erkannt, „welche neuen Möglichkeiten sich damit journalistisch für uns bieten“, so Chefreakteurin Anna-Beeke Gretemeier. Der Journalist Malte Herwig habe Tonbandaufnahmen in Heidemanns Privatarchiv entdeckt, heißt es in der Presseerklärung von Gruner + Jahr. 

„Entdeckt“ dürfte das falsche Wort sein. Denn wer immer Heidemann in dessen Wohnung in Hamburg besucht hat, bekam dessen riesiges Archiv zu sehen. Und wer sich für die Hitler-Tagebücher interessierte, bekam auch die Geschichte von den Telefonmitschnitten erzählt. Das Vorhandene wartete nur darauf, aufgearbeitet zu werden. Und die alte Journalistenlegende Heidemann darauf, daß seine Ehre wieder hergestellt wird. 

Bleibt zu hoffen, daß der Stern die Chance nutzt, seine eigenen Verfehlungen beim Umgang mit Heidemann neu aufzuarbeiten.