© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Oliv ist nicht braun
Bundeswehr II: Die Bundesregierung widerspricht der These von „rechten“ Netzwerken in der Truppe / Unteroffizier schwärzte eigenmächtig Kameraden an
Christian Vollradt

Gibt es in der Bundeswehr „rechte“ Netzwerke, gar eine „Schattenarmee“, wie mehrere Medienberichte Ende vergangenen Jahres glauben machen wollten (JF 52/18-1/19)? Die Bundesregierung hat bislang keine Hinweise auf deren Existenz, teilte sie Anfang Januar in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP mit. Zwar gebe es in der Truppe „wenige Einzelfälle“ von sogenannten „Preppern“, die sich „auf Katastrophenszenarien vorbereiten und bei denen gleichzeitig waffenrechtliche oder staatsschutzrelevante Erkenntnisse vorliegen“. Aber ein „kriminalistisch bedeutender Trend oder ein potentiell staatschutzrelevantes Fehlverhalten durch Mitglieder der ‘Prepper-Szene’ läßt sich auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse nicht herleiten“. Auch würden „derzeit keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen ein Netzwerk von gewaltbereiten Extremisten innerhalb der Bundeswehr“ geführt, schreibt die Bundesregierung und wiederholt noch einmal eine Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD): Es wurden keine gewaltbereiten Rechtsextremisten festgestellt, folglich finde auch deren „Vernetzung“ nicht statt. 

Motiv war offenbar      Geltungsdrang                   

In diesem Zusammenhang läßt aufhorchen, was jüngst den Verteidigungsausschuß beschäftigte. Dem Gremium liegt – wie auch dem Wehrbeauftragten des Bundestags und dem Verteidigungsministerium – der Bericht eines Stabsunteroffiziers und Feldwebelanwärters vor, der über einen längeren Zeitraum Chats und Posts in sozialen Netzwerken nach (tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen) rechtsextremen Äußerungen durchforstet und auf rund 50 Seiten im Stil einer wissenschaftlichen Arbeit mit Fußnoten dokumentiert haben soll. Zudem soll der Soldat auch Gespräche belauscht und dann Äußerungen lediglich „der Stimme nach“ einzelnen Kameraden zugeordnet haben. Für meldenswert habe er unter anderem gehalten, daß jemand die nach Deutschland geflüchteten syrischen Männer dafür kritisierte, daß sie ihre Frauen und Kinder zurückgelassen hätten. Auch ein sogenanntes „Patch“, ein Aufnäher, mit der Aufschrift „Deus Vult“oder eine gepostete Tätowierung mit Kreuzritter-Motiv erregten offenbar sein Mißfallen. 

In manchen Fällen habe er quasi auf eigene Faust soziale Netzwerke nach in seinen Augen anstößigen Posts durchsucht und die Urheber dann vermerkt, wenn er Anhaltspunkte dafür sah, daß es sich bei ihnen ebenfalls um Angehörige der Bundeswehr handelt. Weil der Stabsunteroffizier in seinem Bericht auch vollständige Namen und Dienstgrade wiedergab, hält das Sekretariat diese eigenmächtig verfaßte Dokumentation aus Datenschutzgründen unter Verschluß. Seinen Bericht soll der angehende Feldwebel in mehreren Tranchen an die Empfänger in Bundestag und Ministerium verschickt haben. 

Darin, so erfuhr die JUNGE FREIHEIT, habe sich der Mann einer Ausdrucksweise bedient, die einen quasi offiziellen Charakter suggerieren soll: Begriffe wie „Ermittlungen“ oder „Verdachtsperson“ tauchten ebenso auf wie der Terminus „OSINT“ (Open Source Intelligence), so als handele es sich um eine professionelle investigative Recherche, gar im hoheitlichen Auftrag – und nicht um pures Petzen. Möglicherweise hat sich der Feldwebelanwärter auch von der vor einem Jahr aufgebrezelten Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) „ISoLa“ (Meldewesen Interne soziale Lage der Bundeswehr) ermutigt gefühlt. Sie dient – neben der ZDv für das Meldewesen – als „Frühwarnsystem“ in der Truppe und gilt für Unfälle oder Suizide genauso wie für Fälle von sexueller Belästigung, Diskriminierung, Mobbing oder Extremismus.

Im Verteidigungsministerium nimmt man diesen Fall allerdings anders wahr. Der MAD, so heißt es in offiziell unbestätigten Berichten, sei zu der Einschätzung gekommen, daß die von dem Autor unterstellten rechtsextremen Fälle jeglicher realen Grundlage entbehren. Möglicherweise habe der Verfasser des Berichts eher aus einem wodurch auch immer erzeugten Geltungsdrang gehandelt. Sein Eifer, eine „rechte“ Verschwörung aufzudecken, könnte ihm im äußersten Fall statt einer Karriere als Portepee-Träger auch den Rauswurf aus der Bundeswehr bescheren. 

Keine Weiterentwicklung gibt es unterdessen im Fall Franco A. (JF 50/17 und 18/18), der in der Anfrage der FDP-Fraktion bezüglich möglicher „Prepper“-Netzwerke in der Bundeswehr erwähnt worden war. Auch zwei Jahre nach der ersten Festnahme des damaligen Oberleutnants, der sich seit November 2017 wieder auf freiem Fuß befindet, wurde noch kein Hauptverfahren eröffnet. Anders als die Bundesanwaltschaft sieht das Oberlandesgericht Frankfurt keinen hinreichenden Verdacht für die Vorbereitung eines Anschlags. 

Dabei könnte ein Prozeß noch weit mehr Licht in die damaligen chaotischen Verhältnisse bei der Flüchtlingsregistrierung bringen als in die der Bundeswehr. Denn die Ermittler fanden auf A.s Smartphone unter anderem 40 Videodateien, die allerdings weniger auf Anschlagsplanungen schließen lassen, als auf eine Art Dokumentation dessen, was er als vermeintlicher syrischer Flüchtling „David Benjamin“ in Asyleinrichtungen erlebte. Seine Dolmetscherin hatte schon im Mai 2017 ausgesagt, sie sei damals bereits „über die fehlenden Arabischkenntnisse“ des perfekt Französisch und sehr gut Deutsch (mit französischem Akzent) sprechenden Antragstellers „verwundert“ gewesen.