© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Nützliche Idioten
Prozeß: Ein 30jähriger wird wegen Plünderungen und Flaschenwürfen auf die Polizei während des G20-Gipfels im Juli 2017 verurteilt / „Alkohol- und Drogenkonsum“
Hinrich Rohbohm

Die Taten sind unzweifelhaft nachgewiesen. Als während der Verhandlung die von der Polizei ausgewerteten Videos per Beamer über die Zuschauerwand von Saal 267 des Hamburger Amtsgerichts flimmern, läßt der Fall keinen Spielraum für andere Interpretationen. Zu eindeutig ist der rot eingekreiste Sebastian C. zu erkennen, als er im Rahmen der Krawalle während des G20-Gipfels im Juli 2017 zwei Geschäfte im Hamburger Schanzenviertel plünderte. 

In der Hansestadt herrschte damals Ausnahmezustand: Auf den Straßen hatten linke Krawallmacher brennende Barrikaden errichtet, Autos angezündet, Fensterscheiben eingeschmissen, Polizisten mit Flaschen und Steinen attackiert – und im Schanzenviertel mehrere Läden geplündert. Unter anderem einen Rewe-Supermarkt sowie das Drogeriegeschäft Budnikowski. Der 30jährige C. war an beiden Plünderungen beteiligt.

Auf den gezeigten Videos ist zu sehen, wie Vermummte den Eingang zum Rewe-Supermarkt aufbrechen, Scheiben werden eingeschlagen. Dann dringen Dutzende in das Geschäft ein, zwängen sich an einer aus dem Rahmen gerissenen Fensterscheibe vorbei ins Ladeninnere. Sie schlagen wild auf Computer und Ladentheke ein, schmeißen Regale um, schaffen Waren in Tüten und Einkaufskörben davon. Andere stopfen sich soviel sie tragen können unter Hemden und Pullover. Die Polizei hat zu dieser Zeit die Kontrolle verloren, kann aufgrund der Straßenblockaden nicht zu den Tatorten durchdringen.

Die meisten der Täter sind vermummt. Doch Sebastian C. ist es nicht. Eine Öffentlichkeitsfahndung im Dezember 2017 bringt die Ermittler auf seine Spur. Die Anklage: Schwerer Landfriedensbruch, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie versuchte gefährliche Körperverletzung. Mehrfach ist er auf Polizeivideos zu erkennen, wie er während der Ausschreitungen Flaschen auf Polizisten wirft. Er ist zu sehen, wie er sich provokant vor einen Wasserwerfer stellt, den Stinkefinger zeigt, sich umdreht und vor den Beamten sein Gesäß entblößt. Wenn er ins Sichtfeld der Kamera kommt, mag er zumeist gar nicht hinsehen. Er dreht sein Gesicht weg von der Zuschauerwand, sieht mit leerem Blick nur noch starr geradeaus. 

„Er bekennt sich schuldig“, sagt sein Verteidiger Günter Teworte gleich zu Beginn der Verhandlung. „Das waren völlig sinnlose, fast unverständliche Handlungen“, macht der Anwalt reinen Tisch. Allerdings müsse man die damalige Verfassung seines Mandanten mit berücksichtigen. Immer wieder habe C. Probleme mit übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum. 

Sebastian C. war gemeinsam mit seiner ebenfalls an den Plünderungen beteiligten Freundin aus Köln nach Hamburg angereist. Mit Rucksack und Schlafsack, ohne gebuchte Unterkunft. Eigentlich habe er mit seiner Freundin und anderen eine „Kulturreise“ nach Hamburg machen wollen. „Er ist nicht mit einer politischen Absicht gekommen“, betont auch Anwalt Teworte, der seinen Mandanten nicht der linken Szene zuordnet.

„Das war sinnlose Gewalt, das war purer Vandalismus“

Tatsächlich hatten sich damals auch zahlreiche Chaoten nach Hamburg aufgemacht, um einfach nur „Action“ zu erleben. Die linke Szene hatte sie als nützliche Idioten für ihre Zwecke instrumentalisiert. Vor der „Roten Flora“ bot sie kostenlos Alkohol und Drogen an, putschte die Menge so gegen die öffentliche Ordnung auf. 

Schon auf der Fahrt von Köln nach Hamburg habe man Alkohol konsumiert. „Unsere kleine Gruppe hatte sich schnell verflüchtigt“, läßt C. über seinen Verteidiger verkünden. Rund um die „Rote Flora“ wurden Spirituosen herumgereicht, Ecstasy-Pillen konsumiert. „Am zweiten Tag bin ich mit den Pillen angefangen“, so der Angeklagte. Drei bis vier Stück. Bei seinen letzten Taten, darunter die Entblößungsaktion vor den Polizisten, habe er keine Erinnerung mehr. „Er ist angeheizt und getrieben worden“, sagt sein Anwalt. Jetzt muß er ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. „Das war sinnlose Gewalt, die über jegliche Form von Protest hinausging, das war purer Vandalismus“, begründete die Richterin.