© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Der Regierungsfunk will ins Internet
Neuordnung der Öffentlich-Rechtlichen: Die Staatssender wollen verstärkt Onlinemedien bespielen. Sie treibt die Furcht um, die Deutungshoheit zu verlieren
Ronald Berthold

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll einen neuen Auftrag erhalten und finanziell reformiert werden. Ziel der Politik in den Bundesländern von CSU bis Grünen ist es, ARD, ZDF und Deutschlandradio zu einer Art Bollwerk gegen die angeblich Fake News verbreitenden sozialen Medien zu machen.

Zudem könnte der Rundfunkbeitrag an einen Index gekoppelt werden – zum Beispiel die Inflationsrate. Die Diskussion ist weit vorangeschritten. Allerdings haben sich die Bundesländer auch nach monatelangen Verhandlungen immer noch nicht einigen können, wie eine Reform aussehen soll. Eigentlich sollten die Ministerpräsidenten bis Ende 2018 abschließend entschieden haben. 

Die Notwendigkeit, den Programmauftrag zu ändern, werde aber allgemein anerkannt, betont Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holsteins und Vertrauter des CDU-Linken sowie Ministerpräsidenten Daniel Günther. Er bemängelt, es fehle bislang „der Mut zu einem klaren Bekenntnis für eine Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Die Politik müsse „der Verantwortung, die wir für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, endlich gerecht werden“. Schrödter ist einer der Initiatoren des Reformmodells.

Seine Forderung, die Entwicklung des Rundfunkbeitrags zukünftig an einen Index zu binden und den Rundfunkanstalten Budgets zuzuweisen, hat daher Gewicht. Dies werde gerade abschließend geklärt. Damit wolle man „die lange geforderte Planungssicherheit und finanzielle Flexibilität“ sichern.

„Einordnung“ dort, wo    Debatten „verzerrt“ werden

Hinter alldem steht die Furcht davor, die Deutungshoheit über das politische Geschehen zu verlieren. Carsten Brosda (SPD), Hamburger Kultur- und Mediensenator, erklärt die Hintergründe der Reform so: Wegen eines „weltweit erstarkenden Populismus, der zunehmend auch die Freiheit der Medien in Frage stellt“, müßten die öffentlich-rechtlichen Sender gestärkt werden: „Demokratie und freie Meinungsbildung müssen geschützt werden.“

Es ist ein ähnliches Vokabular, das auch der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm (CSU) benutzt. Er sieht „demokratiegefährdende Tendenzen“ durch die sozialen Medien. Daher gelte es, eine öffentlich-rechtliche (sprich: gebührenfinanzierte) Medien-Plattform „als wirksames Gegenmittel gegen die wachsende Polarisierung, gegen die Zerrissenheit unserer Gesellschaft“ zu erschaffen. Auf dieser Plattform müßten viele „demokratische“ Inhalte gebündelt werden. Zunächst ARD und ZDF, später eventuell auch private Leitmedien, sollten die Plattform bestücken. Das ist das sich herauskristallisierende Kernstück der Reform.

Der Berliner Tagesspiegel, der dann wohl auch dazugehören würde, sieht darin sogar die „Zukunftsfrage für öffentlich-rechtliche Medien“. Es gehe darum, ein digitales Umfeld zu schaffen, „in dem ihr zentraler Kernwert, die Gemeinwohlorientierung, weiterhin deutlich erkennbar bleibt“.

Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz schreibt in dem Blatt: „Mit der Etablierung einer gemeinwohlorientierten Plattform im Internet ist ein Paradigmenwechsel verbunden, der eine breite öffentliche Debatte erfordert.“ Die Politik müsse sich des Themas annehmen – denn auch sie wittert die Gefahr durch freie Medien: „Gerade die Segmentierung und Radikalisierung der Diskurssphären im Internet macht die Erneuerung des öffentlich-rechtlichen Auftrags notwendig, um die Herausforderungen für europäische Bürgergesellschaften zu meistern.“

In dieses Horn bläst auch der aktuelle „Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung“. Dieser fordert, auf der angesprochenen „Plattform“ Angebote von ARD und ZDF mit denen öffentlich-rechtlicher Rundfunksender anderer EU-Staaten zu bündeln: „Aus Sicht der Bundesregierung sind derartige Initiativen zu begrüßen, können sie doch dazu beitragen, europäische Inhalte weiter zu verbreiten und so eine europäische Identität zu befördern.“ Hinter der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen also große Ideen – die regierungsamtlich erwünschten selbstverständlich.

Für die Bundesregierung ist es daher auch unabdingbar, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk überall dort hin einsickert, wo sich vom Mainstream abweichende Berichte und Meinungen artikulieren: Es entstehe ein „Bedarf an neuen Funktionen öffentlich-rechtlich finanzierter Medienakteure“ – „indem dort Orientierung und Einordnung angeboten werden, wo Debatten etwa durch bewußt gestreute falsche Nachrichten oder aggressive Kommunikation verzerrt werden“, heißt es in dem Bericht, der von der Kulturstaatsministerin vorgelegt wird. Der stückweite Bedeutungsverlust von ARD und ZDF für die Meinungsbildung soll durch die Reform zurückgedreht werden. Wann ein konkreter Vorschlag dafür vorliegt, bleibt allerdings unklar.