© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Mit Ach und Krach
Griechenland: Nur Renegaten aus der Opposition sichern Tsipras’ Namensdeal mit Skopje
Curd-Torsten Weick

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fiel ein Stein vom Herzen. Die Entscheidung des griechischen Parlaments sei historisch, so der Norweger. „Ich möchte die Arbeit und den Mut von Premierminister Alexis Tsipras, aber auch von Ministerpäsident Zoran Zaev loben. Sie haben dies ermöglicht, weil sie eine Führungsrolle übernommen haben, die wirklich beeindruckend ist.“ Nun werde die Nato den Prozeß schleunigst fortsetzen, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (EJRM) unter dem neuen Namen „Republik Nordmazedonien“ als 30. Mitglied der Nordatlantischen Allianz aufzunehmen. „Wir werden das Beitrittsprotokoll in Kürze unterzeichnen können, und dann muß dieses Protokoll in den verschiedenen Parlamenten ratifiziert werden, und danach wird Nordmazedonien Vollmitglied der Allianz sein.“

Moskau kritisiert „unverschämte Kampagne“

Parallel dazu begrüßten auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sowie die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini die Annahme der sogenannten Prespa-Vereinbarung durch das Parlament in Athen. Von Anfang an habe die EU das von Tsipras und Zaev am 12. Juni 2018 unterzeichnete Abkommen ausdrücklich unterstützt, hieß es aus Brüssel. „Es bedurfte politischen Mutes, politischer Führung und Verantwortung auf allen Seiten, um eine der tief verwurzelten Streitigkeiten in der Region beizulegen.“ Die Entscheidung sei ein „Beispiel für die Aussöhnung in ganz Europa und würde der europäischen Perspektive der Region einen weiteren Impuls“ verleihen.

Aussöhnung? Das Wort nahm der russische Außenminister Sergej Lawrow nicht in den Mund. Rußland sei nicht gegen den Namen, der vereinbart und verkündet wurde, erklärte er diplomatisch. Rußland frage sich lediglich, wie legitim dieser Prozeß überhaupt sei. Gingen doch die Bemühungen der USA nicht darum, alle Balkan-Länder in die Nato zu treiben, um Rußlands Einfluß in dieser Region zu unterbinden? „Wenn das mazedonische Parlament ein Gesetz über die Novellierung der Verfassung und gleichzeitig ein Gesetz über Sprachen verabschiedet, das aber der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov nicht absegnen will, was die Verfassung verlangt, ruft das bei uns auch Fragen hervor.“ Man könne Moskau alle  möglichen Sünden und alle möglichen Probleme auf dem Balkan vorwerfen, dennoch habe er die Frage: „Was halten unsere westlichen Kollegen von der unverschämten Kampagne des Westens im Vorfeld des Volksentscheids in Mazedonien? Damals besuchten verschiedene Ministerpräsidenten der EU-Länder, der Nato-Generalsekretär, die Führung der EU Skopje und riefen dazu auf, daß die Einwohner für die Nato- und EU-Mitgliedschaft stimmen sollten, und zwar durch die Veränderung des Namens ‘Mazedonien’.“

Ähnlich wie in Mazedonien, wo die  nötige Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung nur mit Ach und Krach erreicht wurde, konnte sich auch in Griechenland der Sozialist Tsipras mit knapper Not durchsetzen. 

Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia (ND) geißelte die „besonders schlechte Vereinbarung“, die auf dem Balkan „mehr Probleme“ schaffe als löse. Parallel marschierten in Athen und vor allem im Norden Griechenlands Hunderttausende, um ihrem Unmut „Mazedonien ist Griechenland“ Ausdruck zu verleihen.  

Ein Großteil der Griechen beansprucht den Namen „Mazedonien“ für den nördlichen Teil des Landes, denn schließlich sei Alexander der Große ein Mazedonier, das heißt Grieche. Zudem habe sich sein Herrschaftsgebiet nicht einmal auf das Gebiet des heutigen Mazedonien erstreckt, so die Sichtweise der Konservativen.

Während Alexander der Große im 4. Jahrhundert vor Christus lebte, wanderten die Vorfahren der jetzigen Mazedonier, die Slawen sind, erst im 6. Jahrhundert in dieses Gebiet ein. Diese slawischen Mazedonen eigneten sich nun nicht nur den Namen des Stammes des griechischen Feldherren an, die Sonne von Vergina, das Symbol der Könige des antiken Mazedoniens, schmückt ihre Flagge. Das wiederum empört die Griechen, und es werden irredentistische Ansprüche der slawischen Makedonier auf angrenzendes griechisches Gebiet befürchtet.

Doch Tsipras überstand Mitte Januar die Vertrauensabstimmung, obwohl  sein rechtspopulistischer Juniorpartner ANEL die Regierung aufgrund der Namensfrage verlassen hatte. Dennoch stimmten 151 Abgeordnete für, 148 gegen Tsipras. Auch bei der Abstimmung am Freitag votierten 153 der 300 Abgeordneten für das Abkommen. Denn Premier Tsipras konnte sich auf Renegaten aus anderen Parteien und unabhängige Parlamentarier verlassen.