© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Schwelbrand auf See
Piratenüberfälle: Der Golf von Guinea gilt neuerdings als hochgradig kriminalitätsverseucht / Rufe nach Präsenz der EU
Paul Leonhard

Sechs Besatzungsmitglieder eines Containerschiffs gelten seit dem 2. Januar als vermißt. Zuvor war ihr Schiff etwa 55 Seemeilen südlich von Cotonou, der Hauptstadt des westafrikanischen Benin, von Piraten angegriffen worden. Fünf Tage später meldete ein Tanker einen Überfall. Ein alarmiertes Patrouillienboot der nigerianischen Marine vertrieb schließlich die Kriminellen. 

Der Golf von Guinea gilt als hochgradig piratenverseucht. Insbesondere in den Gewässern von Nigeria, Benin, Togo und der Elfenbeinküste treiben gut bewaffnete, gewalttätige Seeräuber ihr Unwesen. Im vergangenen Jahr habe die Piraterie auf den Weltmeeren zugenommen, mit einem „deutlichen Anstieg der Angriffe auf Schiffe und Besatzungen in Westafrika“, speziell im letzten Quartal 2018, heißt es im Jahresbericht des Internationalen Schiffahrtsbüros (IMB) der internationalen Handelskammer.

Weltweit verzeichnete das IMB Piracy Reporting Centre (PRC)  im vergangenen Jahr 201 Vorfälle von Seepiraterie und bewaffneten Raubüberfällen, im Vorjahr waren es 180. In den ersten drei Wochen 2019 wurden bereits sieben derartige Vorfälle gemeldet. 

Sechs der weltweit gemeldeten Schiffsentführungen ereigneten sich 2018 in den Gewässern zwischen der Elfenbeinküste und dem Kongo. 13 der 18 beschossenen Schiffe befanden sich ebenfalls in diesem Seegebiet. Auch 130 der 141 Geiselnahmen sowie 78 von 83 entführten Seefahrern mit Lösegeldforderung wurden den Piraten im Golf von Guinea zugeordnet. So wurden am 27.Oktober elf Besatzungsmitglieder eines Containerschiffs entführt. Acht Tage später kaperten nigerianische Piraten einen Tanker, der hundert Seemeilen vor dem kongolesischen Point Noire unterwegs war. In diesem Fall wurden acht der 18 Besatzungsmitglieder entführt.

„Es ist dringend notwendig, die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen zwischen den Anrainerstaaten des Golfs von Guinea zu verstärken, damit Piraten sowohl auf See als auch an Land, wo ihre Operationen beginnen und enden, wirksam bekämpft werden können“, sagte ein IMB-Sprecher. Auch wenn inzwischen mehr Kapitäne Angriffe melden würden, rechne man mit einer Dunkelziffer von bis zu 50 Prozent.Transparente Statistiken seien aber unerläßlich, um das Bewußtsein zu schärfen und die Behörden zu ermutigen, Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle entschlossen zu bekämpfen, heißt es seitens der PRC.

Diese Zunahme der Piraterie an der afrikanischen Westküste ist auch deswegen interessant, weil von dort noch 2017 keine einzige Schiffsentführung gemeldet worden war. Schwerpunkt der Überfälle zwischen 2007 und 2012 war Ostafrika und speziell Somalia, wo 2011 insgesamt 250 Schiffe angegriffen und Dutzende geentert worden waren. Der gesamtwirtschaftliche Schaden wird auf 8,3 Milliarden Doller geschätzt.

Nachdem EU, Nato sowie Indien, China, Japan und Iran 2012 militärische Präsenz vor der somalischen Küste zeigten, sank die Zahl der Piratenangriffe. 

„In den meisten Fällen werden Piraten einen Angriff aufgeben, wenn sie wissen, daß sie entdeckt wurden oder sich das Schiff als gesichert erwiesen hat und damit ein schwieriges Ziel ist“, schreibt das Piracy Reporting Centre. Somalische und nigerianische Piraten würden jedoch dazu neigen, aggressiver zu sein, so daß zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen. Deswegen sei nicht nur am Horn von Afrika eine ständige Präsenz der EU und der internationalen Marine erforderlich.