© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Sonntagsspaziergang durch ein Stadtviertel, das sich sichtbar im Umbruch befindet: Ein Anfang der siebziger Jahre eröffnetes Einkaufszentrum wird komplett um- und teilweie neugebaut. Alteingessene Ladengeschäfte schließen, Lokale wechseln in erstaunlichem Tempo die Besitzer, gegen die Errichtung von 42 Wohnungen auf dem Gelände eines ehemaligen Hotels läuft eine Anwohnerklage, in einem anderen Kiezquartier des Viertels will ein Wohnungsunternehmen die in den fünfziger Jahren errichteten Wohnungen sanieren beziehungsweise modernisieren und ebenfalls neue bauen, inklusive Investitionen in die Infrastruktur. Alles soll hip, hipper, am hipsten werden. Immerhin, auf meinem Müßiggang durch das Viertel entdecke ich auch Lokale, die nicht nur wegen ihres Namens aus der Zeit gefallen zu sein scheinen: die Hertha-Kneipe „Hansa-Stuben“, in der selbstverständlich geraucht werden darf, die „Dicke Paula“ mit deutscher Hausmannskost wie Kohl- und Rinderrouladen, Sülze, Königsberger Klopsen, oder die urige „Skatklause“, von deren Decke noch Lampenschirme mit Fransen hängen.


„Man wird sagen: Es war nicht alles schlecht in der BRD.“ (Netzfundstück bei Michael Klonovsky, Acta diurna, 23. Januar 2019)


An diesem Samstag (2. Februar) will die traditionsreiche Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla im Deutschen Theater ihren Karl-Valentin-Orden an den österreichischen „Volks-Rock’n’Roller“ Andreas Gabalier verleihen. Begründung: Auch Karl Valentin habe sich zeitlebens als Volkssänger gesehen. Daran entzündet sich nun heftige Kritik. Sabine Rinberger, Direktorin des Valentin-Karlstadt-Musäums, wirft Gabalier „rechtspopulistische, homophobe, fremden- und frauenfeindliche Texte“ vor. Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) spricht von einem „schockierenden Fehlgriff“. Nun, dem heimatbewußten Frauenschwarm Gabalier können die an den Haaren herbeigezogenen Bezichtigungen herzlich egal sein, ist es doch nicht das erste Mal, daß er sich dem Genörgel von Gesinnungswächtern ausgesetzt sieht. Schon 2015 konterte er standfest mit dem Lied „A Meinung haben“. Darin heißt es: „Wie kann des sein/ Daß a poar Leut/ Glauben zu wissen/ Wos a Land so wü/ Is des der Sinne einer Demokratie?/ Daß ana wos sogt und die andern san stü (…) A Meinung ham, dahinter stehn/ Den Weg vom Anfang zu Ende gehen/ Wenn sei muaß ganz allan do oben stehn/ A Meinung ham, dahinter stehn/ Die Welt mit eigenen Augen sehn/ Ned ollas glauben wos a poar so red’n“