© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Die Leere hinter dem Geld
Filmisches Boulevardblättchen: Lauren Greenfield zeigt in ihrer Dokumentation „Generation Wealth“ den Traum vom Reichtum
Sebastian Hennig

Die Regisseurin Lauren Greenfield will ihren Dokumentarfilm „Generation Wealth“ als Zusammenführung aller Themen verstanden wissen, die sie bisher beschäftigten. Denn mit der Finanzkrise wurde ihr „klar, daß die Geschichten, zu denen ich mich hingezogen fühlte, Teil einer gemeinsamen Erzählung waren“.

Mit einer Studie über das Erwachsenwerden im Schatten von Hollywood hat sie begonnen. Sie hatte ihre Mutter, eine Psychologin, nach Indien begleitet und war damals mit der Absicht aus der Ferne zurückgekehrt, sich fortan naheliegenden Absurditäten zuzuwenden. Der Vorsatz entsteht, als sie einige Kinder nach ihren Erwartungen an das spätere Leben befragt. Zur Antwort wedeln diese ihr mit Geldscheinen vorm Gesicht herum. Auf dem entwickelten Foto erkennt sie Hundert-Dollar-Noten. Mit ihrem Kurzfilm über „Kinder + Geld“ hat sie 2008 besagte unselige Konstellation beleuchtet.

In „The Queen of Versailles“ porträtiert sie 2012 das schwerreiche Paar David und Jackie Siegel. Die bauten in Florida ihr monströses Schloß, bis ihnen das Geld vorerst ausging. Im ersten Film „Thin“ begleitet sie 2006 Magersüchtige. „Beauty CULTure“ läßt sich ebenfalls auf die Verheißung der körperlichen Schönheit ein. Viele der Protagonisten ihrer Filme besucht sie für „Generation Wealth“ noch einmal.

Der Lebensnerv der amerikanischen Gesellschaft ist verödet. Alles dreht sich um Chimären von Luxus, Reichtum, Ruhm und Schönheit. „Jeder will reich sein. Wenn sie nicht reich sein können, wollen sie sich reich fühlen – und wenn sie sich nicht reich fühlen wollen, dann sind sie wahrscheinlich tot“, sagt der Geldbesitzer Siegel. Etwas schlichtweg Totes erscheint jedoch vergleichsweise lieblich gegenüber dieser schrillen Zwischenwelt. Ein fünfjähriges Mädchen gewinnt mit einem künstlichen Gebiß den Wettbewerb in der Kategorie „schönste Zähne“. Eine 18jährige Rekonvaleszentin sitzt mit verbundener Nase vor dem Pool. Wer sich Gesicht oder Körperteil zur schönen Plastik fixieren läßt, der darf sich nicht mehr rühren noch rühren lassen. Nur eine optimal erstarrte zugehörige Miene oder Bewegung begünstigt die gewollte Erscheinung. Da reicht die verbliebene Haut für manche Gefühlsregung schlichtweg nicht mehr aus. Doch selbst als Schreckbild ist das längst nicht mehr faszinierend.

Reklamefilm für Fotoprojekte der Regisseurin

Donald Trump läuft zweimal durchs Bild und öffnet einen vergoldeten Türflügel. Der deutsche Hedgefondsmanager Florian Homm hat mit seinen über zwei Metern Körpergröße weder visuelle Optimierung nötig, noch muß er sich eigens in Pose werfen. Als es für ihn gefährlich wird, schnallt er sich einen Großteil des mutmaßlich ergaunerten Geldes auf den Leib und verduftet nach Kolumbien. Einige Jahre darauf wird er bei einem Besuch der Uffizien in Florenz verhaftet. Mit routinierter Gier saugt er an der dicken Zigarre und markiert den Dämon des Geldes. Nachdem er wieder in Deutschland angekommen ist, sehen wir ihn auf dem winterlichen Brocken ohne den eitlen Schnurrbart und als einen traurigen Mann.

Dieser Film ist ein Cocktail von Bildern, denen nur ihre Oberflächlichkeit gemein ist. Der Verdacht drängt sich auf, daß die eigentliche Aufgabe dieser vorgeblichen Kritik darin bestehen könnte, das Kritisierte nebenbei als verbindliche Wirklichkeit zu etablieren? Die sich in dessen Sphäre bewegen wollen oder müssen, sind ohnedies gefangen, und die anderen werden durch den unausweichlichen Anblick des Schauderhaften in ihrer natürlichen Widerstandskraft gelähmt. Darum wäre jede Empathie mit den Protagonisten verschwendete Lebensenergie.

Einige Male wird im Film das Oxymoron  Massenkultur weit zutreffender mit dem Begriff der Pornographie umschrieben. Beim Auskehren des Inneren wird dort eine zuckende Leere wahrgenommen. Stille Wasser sind hier nicht länger tief, sondern tot. Und keine Leidenschaft glimmt unter der Oberfläche, wo alles äußerlich ist und viel Lärm um nichts ertönt. Es gibt aber Dinge, die lassen sich nicht folgenlos ausprobieren, um danach wieder den früheren Status einzunehmen. Florian Homm stellt salbungsvoll fest, daß Geld nicht die Liebe der Frau und das Lächeln des Sohnes erkaufen kann. Die Zuschauer dürfen befriedigt bemerken, daß es auch die Superreichen nicht immer leicht haben. 

„Generation Wealth“ wurde von Amazon produziert. Hinter dem Film steht offenbar die einfache Botschaft: Kauf mich! Greenfield verwertet ihre Fotos in Kaffeetisch-Büchern, und vergrößert wird ihnen internationale Museumsweihe zuteil. Doch gerade darin liegt der größte Vorwurf, der dem Film zu machen ist. Er ist ein Reklamefilm für ihr Projekt. Ab Ende März sind ihre  Fotos auch in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen. Eine Museumswand brauchen sie jedoch ebensowenig wie eine Kinoleinwand. In einer Klatschzeitschrift wären die voyeuristischen Schnappschüsse besser aufgehoben.