© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/19 / 01. Februar 2019

Pelzige Wetterfee
Am 2. Februar: Der in den USA zelebrierte Murmeltier-Tag geht auf deutsche Bräuche zu Mariä Lichtmeß zurück
Boris T. Kaiser

Spätestens seit dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray und Andie MacDowell dürfte der nordamerikanische „Groundhog Day“ auch hierzulande den meisten Menschen ein Begriff sein. Was viele nicht wissen, der „Murmeltier-Tag“ hat seine Ursprünge bei uns in Deutschland. 

Er geht zurück auf das kirchliche Fest der Darstellung des Herrn. Der im Volksmund auch Mariä Lichtmeß genannte Tag galt in der katholischen Kirche früher als Ende der Weihnachtszeit. Bis heute gilt er als Lostag für das Wetter der kommenden Wochen. Er dient in Zusammenhang mit dem Licht der länger werdenden Tage als Grundlage für zahlreiche Bauernregeln. So heißt es, gemäß der ländlichen Tradition: „Wenn um Lichtmeß der Dachs noch im Loche bleibt, kommt späterhin noch Kälte“ oder auch: „Sonnt sich der Dachs in der Lichtmeßwoche, geht auf vier Wochen er wieder zu Loche.“ 

Ländliche und urbane Tiere streiten sich

Die deutschsprachigen Einwanderer, die das Brauchtum mitsamt seinen Sprüchen unter anderem in den US-Bundesstaat Pennsylvania (eine Hochburg deutscher Einwanderer) brachten, dichteten mangels dort lebender Dachse diese auf das Groundhog, das Waldmurmeltier. Der Murmeltier-Tag war geboren und wird seither jedes Jahr am 2. Februar mit großem Tamtam zelebriert. Den Rest der neuen Bevölkerung hatten die Deutschen offenbar schnell von der Authentizität des Murmeltiers und seiner volkstümlichen Bedeutung überzeugt. 

Am 4. Februar 1841 schrieb der Ladenbesitzer James Morris in Morgantown Pennsylvania in sein Tagebuch: „Last Tuesday, the 2nd, was Candlemas day, the day on which, according to the Germans, the Groundhog peeps out of his winter quarters and if he sees his shadow he pops back for another six weeks nap, but if the day be cloudy he remains out, as the weather is to be moderate.”(„Letzten Dienstag, den 2. Februar, war Lichtmeß, der Tag, an dem den Deutschen zufolge das Waldmurmeltier kurz aus seinem Winterquartier hervorlugt. Wenn es seinen Schatten sieht, verschwindet es für die nächsten sechs Wochen wieder in seiner Höhle, um zu schlafen, doch ist der Tag bewölkt, bleibt es draußen, da das Wetter gemäßigt sein wird.“)

Inzwischen hat das Ritual in Amerika eine lange Tradition. 133 Jahre alt soll das Murmeltier Phil aus Punxsutawney sein, das den altehrwürdigen Herren mit den Zylindern auf dem Kopf, so will es die Legende, Jahr für Jahr ins Ohr murmelt, ob es denn nun seinen Schatten gesehen hat oder nicht. Sieht Phil seinen Schatten, prophezeit er dem frierenden Publikum damit, daß es sich auf sechs weitere Wochen Winter einzustellen hat; was von diesem dann mit entsprechenden Buh-Rufen quittiert wird.

Daß das Murmeltier trotz zahlreicher Schlechtwetterprognosen so alt werden konnte, kann nur daran liegen, daß die Menschen von Pennsylvania inzwischen wissen, daß der hellsichtige Nager oft danebenliegt. Die US-Wetterbehörde, die die Vorhersagen des Murmeltiers analysiert hat, fand sogar heraus, daß Phil mit seinen Vorhersagen häufiger falsch als richtig lag.

Das hohe Komitee für Wetter- und Murmeltier-Angelegenheiten sieht das allerdings etwas anders. Aus Sicht der überzeugten Frackträger liegt das Tier grundsätzlich immer richtig. Allerdings gäbe es seine Vorhersage in der Sprache Murmeltierisch an die Menschen weiter; da könne es natürlich hier und da schon mal zu Übersetzungsfehlern kommen.

Die Pennsylvanier sind übrigens nicht die einzigen, die an das Murmeltier glauben. Auch Kanadier und sogar die sich sonst stets so hyperaufgeklärt modern gebenden New Yorker haben ihre eigenen Groundhog-Day-Traditionen. In New York heißt das Murmeltier Chuck, wird aber auch förmlich als „Charles G. Hogg“ angesprochen, und wagt es gerne mal, dem pelzigen Landei Phil zu widersprechen. Immerhin, was diesen Charakter angeht, ist Chuck typisch für die eigenwilligen Einwohner des Big Apple.