© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Sven Felix Kellerhoff sorgt in der Tageszeitung Die Welt für den historisch korrekten Ton
In seichten Gewässern
Stefan Scheil

Einige Ursprungsmerkmale des deutschen Zeitungswesens nach 1945 erweisen sich als erstaunlich resistent gegen die Zeitläufte. Etwa das Ableiten negativer Nationalklischees aus unserer Geschichte. Hier fühlt sich der Journalismus unverdrossen dem angeblich demokratischen Erziehungsauftrag verpflichtet, an dem mit der Zeit sogar noch verbissener festgehalten wird.

Auf dem „bürgerlichen“ Flaggschiff des Verlagshauses Springer ist Sven Felix Kellerhoff Deckoffizier auf diesem Posten: Seit 2003 steuert an Bord der Welt der 1971 in Stuttgart geborene Historiker den Kurs des Ressorts Zeit- und Kulturgeschichte. 2012 kam das historische Ressort von welt.de dazu, das die verblassende Wirkung der Druckausgabe auffrischen soll. Einflußreiche Positionen sind das, die Kellerhoff obendrein mit etlichen Büchern zu historischen Themen fleißig ausgebaut hat.

Zu den Besonderheiten des Autors gehört es, gelegentlich sogenannte unkorrekte Ansichten zu vertreten. Etwa über die Reichstagsbrandstiftung 1933, die gar nicht selten immer noch als inszeniertes NS-Spektakel gehandelt wird. Kellerhoff dagegen plädiert für die Alleintäterschaft des holländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe, wie sie 1933 gerichtlich festgestellt wurde. Und gegen den Kult, der um die 1919 ermordeten Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht getrieben wird, hat er sich ebenfalls ausgesprochen.

Doch das sind Randerscheinungen, die intellektuelle Offenheit suggerieren, wo keine ist. Bei den zentralen kontroversen Themen handelt Kellerhoff die Dinge wenig überraschend ab. „Allein Hitler war am Zweiten Weltkrieg schuld“, stand etwa in der Welt zu lesen. Was in dieser Plattheit noch nicht einmal das Nürnberger Tribunal behauptet hat. Und wenn es einmal doch nicht Hitler ist, wird eine Kollektivschuld herbeigeschrieben. Und in puncto Dresden stützt er das Herunterrechnen der Opferzahl auf 20.000, räumt allerdings ein, der Angriff habe den Zivilisten, nicht militärischen Zielen gegolten. In einem Beitrag über die „deutsche Angst“ nannte er unlängst als „typisch deutsche Eigenschaft“ die Neigung zur Übertreibung. Sie präge unsere „Geschichte im 20. Jahrhundert, von der Gier nach dem ‘Platz an der Sonne’ im Kaiserreich über den NS-Rassenwahn bis hin zur ‘German Angst’.“ Rassismus und Gier als Folge typisch deutscher Eigenschaften? Darauf muß man erst einmal kommen. Doch damit nicht genug, verknüpft Kellerhoff die Behauptung mit Verweis auf einen anderen Artikel, der behauptet, dies, und die damit verbundene „Schuld“, seien den Deutschen genetisch vererbt. Erbschuld also in Perfektion! 

Natürlich sei das nicht rassistisch, beeilt er sich sicherheitshalber zu betonen. Was aber ein biologistisch begründetes Nationalklischee sonst sein soll, dürfte nach den Maßstäben des demokratischen Erziehungsauftrags allerdings nur schwer zu erklären sein.