© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Weiß-blaue Toilettenvielfalt
Bayern: Ausgerechnet der katholisch geprägte Freistaat ist Vorreiter bei Sanitäreinrichtungen für das „dritte Geschlecht“ in Grundschulen
Christian Schreiber

Die bayerische Lehrerin Andrea Lehner könnte zu einer Galionsfigur für jene werden, die sich in Gender-Fragen engagieren. Die Pädagogin hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und berät Schulen bei Neubauten und Umgestaltungen. „Wenn Sie schon neu bauen, dann sehen Sie doch gleich noch eine eigene Toilette vor für das dritte Geschlecht“, gab sie laut Münchner Merkur einer Grundschule in Pullach mit auf den Weg. 

Seit einiger Zeit ist es juristisch möglich, sich neben „männlich“ oder „weiblich“ auch die Bezeichnung „divers“ als Geschlecht in den Paß eintragen zu lassen. In aller Regel tun dies bisher aber eher Erwachsene, die Rede ist von rund 80.000 Personen im Bundesgebiet. Doch nun hat das Thema die Schulen erreicht, wo bereits die oftmals kritisierte Frühsexualisierung in den Lehrplänen ein Aufreger-Thema ist. Denn das Beispiel Pullach könnte sprichwörtlich Schule machen. Demnach haben weitere bayerische Lehranstalten mittlerweile entsprechende Absichten geäußert. In Garching stehen die Pläne schon, wie Münchner Merkur und tz berichten. ln Taufkirchen prüfe ein Architekturbüro die Idee. Und in Pullach wollen die Schulbauer noch die örtlichen Gremien abstimmen lassen.

 Doch in der bayerischen Staatskanzlei ist man bemüht, das Thema kleinzuhalten. Dem Kultusministerium sind nach Angaben eines Sprechers keine Schulen bekannt, die aktuell eine solche Toilette anbieten. Allerdings befasse sich eine „Arbeitsgemeinschaft dritte Option“ mit dem Thema und der Frage, wie Toiletten an Münchner Schulen künftig aussehen sollen. Die Diskussion ist bereits in vollem Gange, und sie verspricht erwartungsgemäß hitzig zu werden. Selbst Fachleute debattieren kontrovers über die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme. Ihm seien keine ernstzunehmenden Studien bekannt, die nachwiesen, daß bereits Grundschulkinder sich der Geschlechterdifferenzierung bewußt seien, sagte der Münchner Kinderpsychologe Klaus Neumann Spiegel Online. Außerdem ließe sich Diskriminierung selbst bei mehr als drei Toiletten nicht aus der Welt schaffen. Neumann plädierte stattdessen für Unisex-Toiletten, die von allen Schülern gleichermaßen aufgesucht werden könnten. Eine Alternative könnten auch getrennte Steh- oder Sitztoiletten sein. 

Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) warnt vor Hektik bei der Suche nach Maßnahmen. „Die Debatte geht eben erst los, und man sollte nicht am Anfang einer Debatte schon eine feste Meinung nach draußen bringen“, sagte er. Man werde sich das Ganze „vernünftig und ruhig überlegen“.

Andere Bundesländer     winken ab

Interessant ist die Tatsache, daß das Thema zuerst im noch überwiegend katholisch geprägten Bayern hochkocht. Experten erklären dies damit, daß sich durch das Erstarken der Grünen vor allem in den Großstädten eine regelrechte Gender-Lobby etabliert habe. Erstaunlich zurückhaltend waren dagegen die Reaktionen aus Berlin. Sowohl Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) als auch der Senator für Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), erklärten sich für zuständig. Der dortige  Grünen-Abgeordnete Sebastian Walter sagte, das Thema werde aus seiner Sicht symbolisch völlig überladen. Man müsse es unemotionaler behandeln „Die Frage ist doch: Braucht es so was? Gibt es Bedarf?“ Wenn Eltern und Kinder diesen Bedarf sähen, könnten Schulen selbst entscheiden, eine solche Toilette einzurichten.

Auch in anderen Bundesländern steckt die Diskussion vorerst noch in den Kinderschuhen. „Noch absolut kein Thema“, heißt es aus dem Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz. Ähnliches war aus dem Saarland zu vernehmen. Der Verband Bildung und Erziehung in Baden-Württemberg sprach sich dagegen aus, daß Schulen entsprechende Toiletten einrichten. Der Bedarf an solchen Toiletten sei verschwindend gering, heißt es in einer Erklärung. 

Daran könnten allerdings künftige Gerichtsurteile etwas ändern. Es sei davon auszugehen, daß Eltern betroffener Kinder Musterklagen anstrengen würden, glaubt Schulplanerin Lehner.