© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Erfolgsgeheimnis „Fischer-Methode“
Christian Vollradt

Der Bundestag ist nicht nur Gesetz-, er ist auch ein großer Arbeitgeber. Rund 6.000 Leute sind hier beschäftigt, Arbeitsplätze bietet das Parlament etwa unter anderem für Pförtner, Sekretärinnen, Boten, Polizisten, Erzieherinnen, Informatiker oder auch studentische Hilfskräfte. Die Hälfte der Beschäftigten sind in der Verwaltung tätig, darunter zahlreiche Beamte. 

Wenn die leitenden unter ihnen – also ab Besoldungsstufe A16 und höher – eingestellt, befördert oder höhergestuft werden, braucht es dafür laut Paragraph 7 der Geschäftsordnung die Zustimmung des (gesamten) Bundestagspräsidiums. Dieses besteht aus dem Präsidenten und seinen Stellvertretern. „Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten“, so will es ebenjene Geschäftsordnung. Die Praxis sieht derzeit etwas anders aus. Noch immer ist einer der Posten vakant, nachdem eine Mehrheit der Abgeordneten auch im zweiten Wahlgang gegen die AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel (JF 52/18) gestimmt hatte. 

Und genau deswegen könnte auf den Bundestag eine unangenehme juristische Auseinandersetzung zukommen. Hintergrund ist die sogenannte „Konkurrentenklage“. Das Beamtenrecht sieht vor, daß der bei einer Beförderung oder Stellenbesetzung unterlegene Bewerber gegen diese Entscheidung klagen kann. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muß er gar nicht plausibel machen, der geeignetere Kandidat für das zu besetzende Amt gewesen zu sein. Es reicht nachzuweisen, daß das Auswahlverfahren fehlerhaft war und bei rechtmäßigem Verfahren auch der Unterlegene hätte ausgewählt werden können. Die ganze Stellenbesetzung liegt dann erst einmal auf Eis.

Einer, der diese Methode besonders erfolgreich angewandt hat, war der frühere Bundesrichter Thomas Fischer. Der Jurist – einem breiteren Publikum bekannt durch seine Rechtskolumnen bei verschiedenen Online-Medien – hatte sich auf alle freiwerdenden Vorsitzenden-Stellen in Strafsenaten am Bundesgerichtshof beworben und per Konkurrentenstreitverfahren sämtliche Besetzungen blockiert. Erst als sich das Bundesjustizministerium eingeschaltet hatte, bekam Fischer einen Vorsitzposten und zog seine Klagen zurück.

Wenn also demnächst im Bundestag Beförderungen beziehungsweise Neubesetzungen auf eine A16-Stelle (oder höher) anstehen, könnte ein bei der Auswahl Unterlegener geltend machen, daß das Bundestagspräsidium – also das dafür zuständige Gremium – überhaupt nicht ordnungsgemäß besetzt, das Verfahren mithin fehlerhaft ist. Mit der Folge, daß die entsprechende Stelle erst einmal nicht besetzt werden darf.

Zumindest dem Bundestagspräsidenten soll bewußt sein, welches Ungemach die offene Personalie da nach sich ziehen könnte. Aus den sprichwörtlich „gut unterrichteten Kreisen“ ist zu hören, Wolfgang Schäuble (CDU) übe mehr oder weniger sanften Druck aus, um die Kuh endlich vom Eis zu holen. Nach dem Motto: lieber die AfD im Präsidium als rechtliche Scherereien ohne Ende und eine nicht arbeitsfähige Verwaltung ...