© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Zweckentfremdung der Gelder
Klagebeispiel: Vor dem Berliner Verwaltungsgericht zieht ein Wirtschaftsanwalt gegen den Rundfunkbeitrag ins Feld
Markus Schleusener

Nach zwei Grundsatzurteilen des Bundesverfassungsgerichts (JF 22 und 31/18) und des Europäischen Gerichtshofs (JF 52/18) im vergangenen Jahr war für die Befürworter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Sache klar: Die Debatte über eine grundlegende Reform oder gar eine Abschaffung des Systems ist beendet.

Doch der Streit vor allem um den Rundfunkbeitrag geht weiter – Ärger droht von politischer Seite und durch klagewütige Beitragszahler. Die Senderchefs Thomas Bellut (ZDF) und Ulrich Wilhelm (ARD) fordern mehr Geld, und Wilhelm drohte sogar mit einer Klage in Karlsruhe (JF 06/19). 

Gleichzeitig stehen die zuständigen Landesregierungen durch die Umfragehochs der AfD im Wahljahr 2019 unter Druck. Auch von ganz links kommt mittlerweile Kritik am System: Mit einem einzigen Twitterbeitrag („Rundfunkbeitrag anheben? Bessere Idee: Einkommen der Fernseh-Intendanten senken“) hat Sahra Wagenknechts Verein „Aufstehen“ Anfang Januar klargemacht, daß es kein rechtes Monopol auf GEZ-Kritik gibt.

Tatsachen und Fakten würden unterdrückt

Und dann die Gerichte: Wenn ein Berliner Kläger Erfolg hat, könnte der Zwangsbeitrag für die Zwangskunden des RBB fallen. Am Berliner Verwaltungsgericht geht ein Prozeß in die nächste Runde. Der Kläger heißt Christian Braun. Er weigert sich, den Rundfunkbeitrag zu entrichten. Ihm geht es nicht um die Verfassungskonformität des Rundfunkstaatsvertrags, vielmehr sei beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die geforderte Unabhängigkeit von Staat und Regierung nicht mehr gegeben. „Schlimmer noch ist, daß bewußt Tatsachen und Fakten unterdrückt und entstellt werden, damit diese in einem regierungskonformen Licht erscheint. Dadurch wird der Bevölkerung die Möglichkeit einer freien und umfassenden Meinungsbildung genommen“, erläutert Braun. Er führt zwei Beispiele an: die Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt und über den Terroranschlag vom Breitscheidplatz im Dezember 2016. In letzterem Fall hätten deutsche Sender noch über einen Unfall spekuliert, als die ausländischen Anstalten längst vom Attentat sprachen.

Seine Schlußfolgerungen sind hart: „Eine derartig gefilterte Berichterstattung und das Weglassen von Tatsachen im Sinne des Vertuschens von ungewollten Wahrheiten ist Merkmal eines faschistoiden oder totalitären Systems.“

Rückblick, November 2018: Einzelrichter Kai-Christian Samel betritt den Saal des Verwaltungsgerichts Berlin. Im Publikum: etwa ein Dutzend GEZ-Gegner. Samel eröffnet die Verhandlung und begründet, warum er im Alleingang die Sache verhandeln wird anstelle einer dreiköpfigen Kammer. Eine solche Verhandlung als Einzelrichter deutet auf eine Ablehnung hin und verschlechtert die Chance auf ein Berufungsverfahren. Der Richter trägt die Argumente des Klägers vor und erteilt ihm dann das Wort. Es ist die Stunde des Christian Braun. Er ist ein Berliner Wirtschaftsanwalt. Die Fälle, die er sonst verhandelt, drehen sich um höhere Summen als eine Gebühr von 210 Euro pro Jahr. Seine Klageschrift ist sieben Seiten lang. Er argumentiert mit zweierlei: 1. Der sogenannte Beitragsservice ist nicht berechtigt, Bescheide zu erstellen. 2. Der Anspruch der Sender auf den Beitrag ist verwirkt, da sie ihrer Aufgabe einer neutralen Berichterstattung nicht mehr nachkommen.

Der letzte Punkt wiegt schwer, ist gut begründet und eine Hauptursache für den Unmut über den Zwangsbeitrag. Braun verweist in seiner Stellungnahme auf die Anwesenheit der Zuschauer, die zeige, daß es ein öffentliches Interesse an dem Fall gebe. Er beantragt, den Fall in einer Kammer zu verhandeln. Der Einzelrichter lehnt ab. Er und Braun hauen sich Paragraphen um die Ohren, bis Braun einen Befangenheitsantrag einreicht.

Der Richter unterbricht die Sitzung. In der folgenden Pause führt Braun nochmals aus, warum er die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags als verwirkt ansieht: „Wenn der Staat Sie zwingt, sich an den Ausbaukosten der Straße vor Ihrem Grundstück zu beteiligen, und dann das Geld nimmt und dafür Spielplätze oder Kindergärten baut, dann darf er das auch nicht.“ Genauso sei es mit dem Zwangsbeitrag: Der werde erhoben mit dem Versprechen, der Rundfunk würde eine Grundversorgung mit objektiven Informationen herstellen, was er aber nicht tut. Gebannt hören die Zuschauer zu. Einer sammelt Unterschriften für ein Volksbegehren gegen den Rundfunkstaatsvertrag. Ein anderer macht ein Interview mit ihm vor der Kamera für einen Youtube-Kanal. Die Szene der GEZ-Gegner ist groß.

Dann erscheint eine Richterin. Sie verkündet, daß die Kammer über das Ablehnungsgesuch beraten wird. Daher sei die Sitzung zu vertagen. Die Fortsetzung folgt nun am 15. Februar um 10.30 Uhr. Braun ist entschlossen, die Klage fortzuführen, selbst wenn er in erster Instanz eine Niederlage erleidet.