© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Donald Trump schließt keine Museen
Der Kunsthistoriker Hanno Rauterberg untersucht Gefährdungen der Kunstfreiheit in Zeiten der „Krise des Liberalismus“
Felix Dirsch

Flammende Aufrufe zur Verteidigung der Kunstfreiheit gibt es viele. Zuletzt sind am geschichtsträchtigen 9. November 2018 140 Kultureinrichtungen und -organisationen in Berlin an die Öffentlichkeit getreten. Dabei wurde medienwirksam vor einer Gefahr durch „rechtspopulistische Gruppierungen und Parteien“ gewarnt. „Die Erklärung der Vielen“ bekundete die in den einschlägigen Kreisen verbreitete Angst vor Demokratiefeinden, die jedoch zum Teil erst phantasmagorisch erschaffen werden, um sie dann um so wirkmächtiger bekämpfen zu können. Ein „Zentrum für politische Schönheit“ von rechts, das ähnlich dem um so realeren Pendant von links unliebsame Politiker drangsaliert, existiert nun einmal nicht; ebensowenig rechtsradikale Bands mit dem Einfluß von Feine Sahne Fischfilet, die von obersten staatlichen Stellen hofiert werden und an hochsubventionierten Fleischtöpfen sitzen.

Die Abhandlung des Kunsthistorikers Hanno Rauterberg erschöpft sich nicht in der üblichen Zustimmung der selbsternannten Kulturschaffenden zu Platitüden wie „Toleranz, Vielfalt und Respekt“; und doch fehlt es nicht an Anspielungen in dieser Richtung. Der Zeit-Journalist unterstellt Rechtspopulisten schon mal vorsorglich, von der Unterdrückung künstlerischer Kritik zu träumen. Er ist aber immerhin so ehrlich festzustellen, daß dieses vermeintliche Ansinnen weder rechtlich noch politisch zu realisieren sei. Die Krise des Liberalismus bringt also keine Krise der Kunstfreiheit mit sich.

Feministen und Islamisten stellen Kunstwerke in Frage 

Dennoch sind punktuelle Einschränkungen der Kunst nicht ausgeschlossen. Sie werden aber, wenn überhaupt, von „der falschen Seite“ gefordert. Es waren keine Rechten, die vor einiger Zeit das Ansinnen vorgetragen haben, ein Gedicht des bolivianisch-schweizerischen Schriftstellers Eugen Gomringer an der Fassade einer Berliner Hochschule zu übermalen. Linke Studentinnen meldeten sich zu Wort, die an seinem Inhalt etwas auszusetzen hatten: Frauen, so die Behauptung, würden in patriarchalischem Gestus zu Musen der Männerwelt degradiert. Die feministischen Zensorinnen erzwangen schließlich die Entfernung der anstößigen Zeilen. Doch gab es auch Widerstand gegen die neuen Kulturkämpfer. Die Aufregung legte sich bald.

Daß es Feinde von Kunst- und Kulturfreiheit gibt, läßt sich auch in der Gegenwart nicht bestreiten. Rauterberg erörtert ein eindringliches Beispiel: die gewalttätigen Feindseligkeiten islamistischer Fanatiker, die sich gegen Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo Anfang 2015 entluden. Wirkmächtig-destruktive Infragestellung von Kunst benötigt starke staatliche wie religiös-orthodoxe Institutionen, die in der Lage sind, den Kunstbetrieb zu reglementieren und gegebenenfalls zu unterdrücken. Die Vergangenheit liefert viele Beispiele dafür. 

Linke wie liberale Kritik unterhöhlte in den vergangenen Jahrzehnten jedoch solche Voraussetzungen im Westen nachhaltig. Zuwanderung indessen konterkariert diese Entwicklung: Massenhaft importierte islamische Rechtgläubigkeit stellt das religiöse Ideal über die Kunstfreiheit, die in den Parallelgesellschaften als Aufforderungen zur Blasphemie gedeutet wird. 

Die neuen Kulturkämpfe werden also nicht von Rechtspopulisten initiiert, sondern meist von deren Gegnern. Weil eine solche Schlußfolgerung für einen Autor der Zeit wohl arg frustrierend ist, betrachtet er lieber die Situation der Gegenwartskunst in ferneren Gefilden. So stellt er Überlegungen zum Fall der weißen US-Künstlerin Dana Schutz an, die 2017 beschuldigt wurde, das Leid einer schwarzen Familie nach einem Lynchmord von Weißen in den sechziger Jahren aus bloß ökonomischen Gründen thematisiert und daher „kulturunsensibel“ gehandelt zu haben. Ähnlich gelagert sind die Auseinandersetzungen um den Maler Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus. Man klagte ihn im Kontext einer hitzigen Debatte 2014 an, in einem Gemälde den Mißbrauch junger Frauen glorifiziert zu haben. 

Der Leser von Rauterbergs Schrift kann sich eines Eindrucks nicht erwehren: Der Autor der in toto lesenswerten Publikation übertreibt, wenn er mehr als nur marginale Anzeichen für einen untergehenden Liberalismus und für größere Kulturkämpfe am Horizont erkennt. Die Kunst ist nicht gefährdet, von Rechtspopulisten schon gar nicht. Selbst Donald Trump schließt keine Museen. Zum Leidwesen mancher Opponenten wird er dies wohl auch in Zukunft nicht tun.

Hanno Rauterberg: Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2018, broschiert, 141 Seiten, 14 Euro