© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/19 / 08. Februar 2019

Knapp daneben
Die Hoffnung stirbt nie
Karl Heinzen

In diesen Tagen ist es oft recht kalt. Vielerorts liegt sogar Schnee, der demnächst wieder taut. In ein paar Monaten jedoch flüchten wir entweder wie im letzten Sommer vor der glühenden Sonne in den Schatten oder ziehen uns, wenn es anders kommt, vor dem aus einem verhangenen Himmel herabprasselnden Regen in die eigenen vier Wände zurück. Ja, das Klima spielt verrückt, das nervt, da kommt endlich wieder Angst auf, ein Gefühl, auf das wir im optimistischen Rausch der goldenen Merkeljahre so lange verzichten mußten. Auch die Teenager blicken sorgenvoll von ihren Smartphones auf und entdecken ihre kollektive Macht. Sie sind die letzte Generation, die noch von sich behaupten darf, daß sie die letzte wäre, die den Klimawandel hätte aufhalten können. Schon in naher Zukunft wird man entweder herausfinden, daß der menschliche Einfluß viel geringer ist als lange angenommen, oder aber resigniert feststellen, daß es eigentlich schon zu spät war, als das Modell der industrialisierten Massengesellschaft seinen globalen Siegeszug antrat. 

Auch in einer Welt, in der die Umwelt bereits ruiniert ist, gibt es Gelegenheiten zum Unterrichtsausfall.

Solange diese Frage noch offen ist, zieht es die schulpflichtige Jugend Freitag für Freitag auf die Straße, um ihren Protest in eine belastete Atmosphäre herauszuschreien. Natürlich könnte man das auch an einem Samstag oder Sonntag machen. Am Wochenende will man aber ausschlafen, sich mit Freunden treffen, Party machen. Am Freitag hingegen läßt sich die Ernsthaftigkeit des Protests durch den Unterrichtsausfall, der in Kauf genommen wird, unterstreichen. Zur Belohnung darf man gleich nach der Demo in ein verlängertes Wochenende gehen.

Wie lange wird das so weitergehen können? Noch ein Weilchen, aber irgendwann werden die Freudentränen der Eltern und Lehrer, solch verantwortungsvolle Kinder herangezogen zu haben, trocknen, und dann werden  sie die Zöglinge an ihre Schulpflichten erinnern. Traurig müssen die Jugendlichen deshalb nicht sein. In Bangkok haben gerade Zehntausende Schüler wegen zu hoher Smogbelastung schulfrei bekommen. Auch in einer Welt, in der die Umwelt ruiniert ist, stirbt die Hoffnung auf Unterrichtsausfall nie.