© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Ein neuer Name für 1210
„Hindenburgdamm“: Der politisch-korrekte Umbenennungsfuror treibt bisweilen seltsame Blüten
Peter Möller

Es war nur eine Frage der Zeit: Nachdem in den vergangenen Jahren in mehreren Städten heftige Auseinandersetzungen um den früheren Reichspräsidenten und Weltkriegshelden Paul von Hindenburg als Namensgeber für Straßen und Plätze entbrannt waren, mußte früher oder später auch der sogenannte Hindenburgdamm ins Fadenkreuz geraten. Anfang Februar forderten nun die beiden Kieler Landtagsabgeordneten Martin Habersaat (SPD) und Andreas Tietze (Grüne), den 1927 eingeweihten Eisenbahndamm zwischen dem Festland und der Insel Sylt umzubenennen, da Hindenburg als Namensgeber unter anderem durch seine Rolle bei der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler ungeeignet sei. Mit ihrem Vorhaben, den Namen einer in ihren Augen historisch „umstrittenen“ Person aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, stehen die beiden Landespolitiker trotz der Kritik, die sie für ihren Vorstoß einstecken mußten, nicht allein.

In vielen Städte tobt bereits seit Jahren ein Streit um die Umbenennung von Straßennamen, an denen sich zumeist linke Parteien und Organisationen stoßen. Im Afrikanischen Viertel in Berlin-Wedding beispielsweise ringen vor allem Politiker von SPD und Grünen sowie linke Initiativen seit Jahren mit Anwohnern darum, nach deutschen Kolonialpolitikern benannten Straßen einen neuen Namen zu geben: Künftig sollen sie an Personen und Ereignisse der afrikanischen Anti-Kolonialbewegung erinnern. So soll etwa der Nachtigalplatz Manga-Bell-Platz heißen, die Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße umbenannt werden.

„... dadurch macht man      Geschichte nicht besser“

Bei vielen Anwohnern stößt dieses Vorhaben allerdings auf wenig Gegenliebe. Sie fürchten neben dem Verlust ihrer vertrauten Anschrift vor allem hohe Kosten durch die Adreßumstellung, dies gilt insbesondere für Geschäftsleute. In einem Widerspruchsschreiben von Anwohnern an den Bezirk heißt es: „Geschichte macht man nicht dadurch besser, indem man Straßennamen ändert. Vielmehr sollten ihnen Erläuterungen beigefügt werden, mit denen ihr Ursprung erklärt wird.“ Anwohner werfen der zuständigen grünen Bezirksrätin zudem vor, Widersprüche von Bürgern gegen die Umbenennungen zu verschleppen.

Mitunter wird versucht, einen unliebsamen Namen durch eine Umwidmung der Straße zu umgehen. So auch im Afrikanischen Viertel, wo die Petersallee, die ursprünglich nach dem Begründer Deutsch-Ostafrikas Carl Peters benannt worden war, bereits 1986 dem Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Hans Peters gewidmet wurde. Dennoch soll die Straße nun in Anna-Mungunda-Straße beziehungsweise Maji-Maji-Allee umbenannt werden. Die findige Begründung des Bezirksamtes: Es habe 1986 keinen Verwaltungsakt für die Umwidmung gegeben, sondern es seien lediglich die erklärenden Tafeln an den Straßenschildern ersetzt worden.

Aber auch in anderen Städten wird leidenschaftlich über Straßennamen gestritten. Besonders gründlich geht dabei die bayerische Landeshauptstadt München vor: Dort untersucht derzeit eine Experten-Kommission alle rund 6.300 Straßennamen darauf, ob sie möglicherweise historisch belastet sind. Die Entscheidung, alle Straßen zu überprüfen, hatte der Stadtrat 2016 getroffen. Nun wird untersucht, ob die Straßennamen den „Militarismus“ verherrlichen beziehungsweise völkisch-reaktionär, nationalistisch, antisemitisch, nationalsozialistisch oder rassistisch sind.

Nach Angaben des Leiters der Kommission, des Münchner Historikers Andreas Heusler, gibt es bei „rund zehn Prozent“ dieser Straßen „Hinweise auf eine problematische Vergangenheit, die wir daher noch genauer untersuchen müssen“, sagte er der Bild. Bis zum Sommer soll dem Stadtrat für Straßen, deren Name nach Ansicht der Kommission problematisch ist, eine Empfehlung vorgelegt werden, ob eine Umbenennung „zwingend“ oder „denkbar“ ist.

Eine ähnliche Prozedur hat in Lübeck gerade ihren Abschluß gefunden. Sechs Jahre hat sich in der Hansestadt ein Arbeitskreis mit möglicherweise historisch belasteten Straßennamen beschäftigt. Ende Januar beschloß die Bürgerschaft, unter anderem mit den Stimmen der SPD, der Linken, der Freien Wähler, der AfD und der Grünen, daß der Hindenburgplatz, der Lenardweg (benannt nach dem Physiker und NSDAP-Mitglied Eduard Anton von Lenard) und die Pfitznerstraße (benannt nach dem Komponisten Hans Erich Pfitzner) einen neuen Namen bekommen.

Insbesondere das Votum der örtlichen AfD verwundert. Der Vorsitzende der Bundespartei Alexander Gauland äußerte sich in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit dem Streit um den Hindenburgdamm mit einer deutlich anderen Tonlage. Er sprach von einem plumpen Versuch, historische Persönlichkeiten, die nicht in die links-grüne Ideologie paßten, aus dem Gedächtnis der Menschen zu streichen. „Das ist Bevormundung, aber vor allem der Versuch, über die Kontrolle der Vergangenheit, die Kontrolle der Gedanken zu erlangen“, warnte er. Welch sonderbare Blüten das Streben nach politisch korrekten Straßennamen mittlerweile hervorbringt, zeigt das Beispiel Düsseldorf. Dort prüft eine ebenfalls eingesetzte Kommission, ob die nach dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg benannte Straße umbenannt wird. Zur Begründung hieß es von Mitgliedern der Kommission, Stauffenberg habe die Machtergreifung Hitlers begrüßt und sich antisemitisch geäußert. Bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung fallen.

In Hannover hat das dort eingesetzte Namens-Gremium mit dem Autobauer Ferdinand Porsche und dem Nobelpreisträger Konrad Lorenz zwei eher überraschende Namen auf die Liste der Personen gesetzt, nach denen künftig keine Straßen mehr benannt werden sollen. Beiden wird eine Nähe zum NS-Regime vorgeworfen.

Der Streit um den Hindenburgdamm hat übrigens eine besondere Pointe: Denn genaugenommen wurde der Damm nie nach Hindenburg benannt, sondern trägt lediglich die bahninterne Nummer der Strecke Elmshorn-Westerland, auf der er liegt: 1210. Die einzigen Eisenbahnbauwerke, die nach Angaben der Bahn offiziell getauft werden, sind Tunnel. Daß sich für das Bauwerk dennoch im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung Hindenburgdamm eingebürgert habe, liege vermutlich daran, daß der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg bei der Eröffnung des Dammes anwesend war. Doch SPD-Mann Habersaat läßt nicht locker. Sein Vorschlag: „Die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn könnte leicht eine Feierstunde organisieren und einen neuen Namen ausrufen“, sagte er t-Online.





Schildersturm

Wie viele Straßen in Deutschland sind – noch – nach dem früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt? Die Deutsche Post teilte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, daß es derzeit bundesweit 434 Treffer bei der Suche nach einer Hindenburg-Straße gibt. Allerdings: Hierbei kommt es zu Mehrfachnennungen ein und derselben Straße, wenn sie etwa in der Datenbank des Unternehmens in Abschnitte mit unterschiedlichen Postleitzahlen aufgeteilt ist. Dies ist beispielsweise in Hamburg der Fall, wo eine Hindenburgstraße sechs Treffer erzeugt, weil sie über einen Ortsteil hinausgeht. Eine Vergleichszahl dazu: Dieselbe Anfrage bei der Post ergab im September 2010 noch 444 Treffer für Hindenburg-Straßen oder -Plätze (JF 39/10). Die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel, ebenfalls seit langem „umstritten“, erzielt aktuell 91 Treffer (2010: noch 101 Straßen und Plätze). 86 Treffer weisen auf Straßen, die nach Ernst-Moritz Arndt benannt sind, der als Namenspatron der Greifswalder Universität vergangenes Jahr gestrichen wurde. Auf das Flieger-As Manfred von Richthofen weisen fünf Treffer (vollständiger Name) und 12 weitere Treffer (nur „Richthofen“). Lettow-Vorbeck-Straßen oder -Plätze erzeugen acht Treffer, der Historiker Heinrich von Treitschke kommt bundesweit nur noch viermal vor. Dagegen landet Kommunistenführer Ernst Thälmann als Straßenname 426 Treffer (inklusive Mehrfachnennungen), dazu weitere elf Treffer wie „Thälmann-Siedlung“. Die Suche nach Karl Marx im Straßenverzeichnis erzeugt 475 Treffer, auf lediglich sechs kommt seine Frau Jenny Marx. Wer nur nach „Marx“ sucht, findet 583 Angaben, darunter dann jedoch auch (z.B. in Hamburg) einen „Heino-Marx-Weg“. (vo)