© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Gendern für eine halbe Milliarde
185 Gender-Lehrstühle: Spitzenreiter Nordrhein-Westfalen
Karsten Mark

Zwei US-Amerikanerinnen haben die „Gender Studies“ vor gut 30 Jahren in Deutschland etabliert. Carol Hagemann-White kam 1964 mit einem „Luftbrückendank-Stipendium“ der Lastenausgleichsbank nach Deutschland. An der FU Berlin promovierte sie in Philosophie und habilitierte sich 1976 für Soziologie. Mitte der 1980er Jahre machte sie mit der These „Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren“ auf sich aufmerksam. 1988 wurde sie als Ordentliche Professorin für Allgemeine Pädagogik/Frauenforschung an die Universität Osnabrück berufen.

Judith Butler, Professorin für Rhetorik und Komparatistik im kalifornischen Berkeley, hat die aufkeimende Debatte in Deutschland wesentlich mit einem Buch befeuert. 1991 erschien ihre bekannteste Schrift „Gender Trouble“ als deutsche Übersetzung unter dem Titel „Das Unbehagen der Geschlechter“. Butler bezweifelt darin die objektive Existenz der „Körpergeschlechter“ und bezeichnet diese als „diskursives Konstrukt“.

Ihre größte Blüte erleben die deutschen „Gender Studies“ seit etwa zehn Jahren, was zeitlich mit den sogenannten „Professorinnenprogrammen“ von Bund und Ländern zusammenfällt, die für mehr Frauen auf deutschen Lehrstühlen sorgen sollen. Insgesamt 500 Millionen Euro flossen aus diesen Quellen seit 2008 an Hochschulen, die ein „überzeugendes Gleichstellungskonzept“ vorlegen konnten. Sie bekamen bis zu drei Stellen für weiblich besetzte Professuren als Anschubfinanzierung für fünf Jahre gefördert. „Die Integration von Geschlechteraspekten in Forschung und Lehre“ sei zwar kein „explizites Begutachtungskriterium“ gewesen, heißt es in einer Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von Dezember 2017. Die meisten Hochschulen sind allerdings wohl davon ausgegangen. Immerhin 45 von 50 Gleichstellungskonzepten erwähnen Geschlechterforschung oder Gender in der Lehre.

Der von der FU Berlin veröffentlichten „Datensammlung Geschlechterforschung“ zufolge gab es 2017 185 Gender-Professuren in 14 Bundesländern. Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen mit 63, gefolgt von Berlin mit 36 und Niedersachsen mit 18. Nur das Saarland und Sachsen tauchen in der Aufzählung gar nicht auf. 93 der 185 Professuren konzentrieren sich an nur 17 Universitäten. In Berlin stechen die FU mit zwölf und die Humboldt-Universität mit elf Professuren hervor. Es folgen die Uni Bielefeld mit acht, die Ruhr-Universität Bochum mit sieben und die Universität Duisburg-Essen mit sechs Professuren. Zu den Kosten der Gender-Professuren konnten die Wissenschaftlichen Dienste mangels Datenbasis keine Angaben machen. Sie dürften indes immens sein.