© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Die Zeit arbeitet gegen Maduro
Venezuela: Opposition beruhigt Peking und Moskau
Marc Zoellner

Es war eine kleine, aber um so farbenfrohere Gemeinschaft, die sich vergangenen Donnerstag im Zentrum von Montevideo zusammenfand: Mit Trillerpfeifen und Plakaten gewappnet, hatten sich gut einhundert Menschen in der uruguayischen Hauptstadt versammelt, um ihre Solidarität mit dem international zusehends isolierten venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu bekunden. 

Anlaß der Demonstration war das erste Treffen der „Internationalen Kontaktgruppe für Venezuela“, einer aus acht europäischen und vier lateinamerikanischen Staaten bestehenden Arbeitsgruppe, die unter Federführung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nach möglichen Neuwahlen im krisengeschüttelten Land sondieren soll. „Nein zur Yankee-Intervention“, skandierten die Demonstranten derweil vor dem Kongreßgebäude. „Das venezolanische Öl gehört dem venezolanischen Volk!“

Afrikanische Staaten verurteilen „Sturzversuche“ 

Daß lediglich eine Handvoll Menschen dem Aufruf der uruguayischen Sozialisten zum Gegenprotest gefolgt war, hatte seinen Grund: Auch unter den lateinamerikanischen Nachbarn Venezuelas ist der Rückhalt Maduros auf ein Minimum gesunken. Anfang des Monats erst hatten die vierzehn Staaten der Lima-Gruppe den venezolanischen Oppositionsführer Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt. Neben wenigen karibischen Inselrepubliken, die von venezolanischen Ölexporten abhängig sind, erkennen einzig noch Kuba und Bolivien Maduro als legitimen Präsidenten Venezuelas an. Mit Uruguay als Ausrichter des Kontaktgruppentreffens verlor Maduro diesen Februar gar einen seiner engsten Verbündeten auf dem amerikanischen Kontinent.

Um so mehr darf er sich über unerwartete Schützenhilfe aus Afrika freuen. „Wir fordern die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, den Wahlausgang in Venezuela zu respektieren“, verkündete der namibische Präsident Hage Geingob am Sonntag auf einer Pressekonferenz. Seit August 2018 hat Geingob den Vorsitz der „Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika“ (SADC) inne, einem wirtschaftspolitischen Zusammenschluß von 18 Staaten. 

Mit der Anerkennung Guaidós hätten „fremde Staaten versucht, eine demokratisch gewählte Regierung zu untergraben“, erklärte Geingob den gemeinsamen Entschluß der Mitgliedsländer zur Solidarisierung mit Maduro: „Die SADC verurteilt derartige Verletzungen internationalen Rechts, insbesondere jenem nach Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten souveräner Staaten.“

Die Erklärung der SADC dürfte Maduro im innenpolitischen Diskurs neuen Auftrieb gewähren; speziell unter den ihm noch immer loyalen Streitkräften. Am internationalen Verhandlungstisch indes fällt sie kaum mehr ins Gewicht. „Die Zeit ist leider nicht mehr auf Maduros Seite“, konstatierte jüngst gar Wladimir Dschabarow, Vizechef des Außenausschusses des russischen Oberhauses. „Sollte die Wirtschaftskrise sich verschlimmern, kann die gesellschaftliche Stimmung rasch gegen ihn kippen.“ Für Rußland, das sich seit dem Amtsantritt Hugo Chavez’ im Jahre 1999 als Verbündeten Venezuelas betrachtet, hätte der Sturz Maduros negative Folgen. Nach Peking zählt Moskau zu den größten Gläubigern der Regierung in Caracas. Allein der staatseigene Mineralölkonzern Rosneft hatte in den vergangenen Jahren über zehn Milliarden US-Dollar in venezolanische Ölunternehmen investiert und hält mittlerweile die Hälfte der Aktien der CITGO-Kette, eines US-Tochterunternehmens der staatlichen venezolanischen Erdölgesellschaft „Petróleos de Venezuela“ (PDVSA). 

Moskau drängt auf eine innervenezolanische Lösung

Die Aktienanteile an CITGO verschafften Rußland nicht nur ein florierendes Tankstellen- und Raffineriennetz in den Vereinigten Staaten, sondern insbesondere auch Devisengewinne, die nicht von US-Sanktionen gegen Moskau betroffen sind. Einen möglichen Sturz Maduros erachtet der Kreml daher als höchst gefährlich für seine eigene finanzielle Situation. Die Präsidentschaft Maduros ist „Putins Zehn-Milliarden-Dollar-Wette“, kommentierte die New Yorker Nachrichtenagentur Bloomberg kürzlich das Zusammenspiel beider Staaten.

Die für diesen Donnerstag in der US-Hauptstadt Washington geplante Konferenz der „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) dürfte daher  auch von Moskau mit Spannung verfolgt werden. 

Mit Carlos Vecchio als neuem venezolanischen Botschafter in den USA wird an dieser erstmalig auch ein Vertreter der Interimsregierung Guaidós teilnehmen. Bereits im Vorfeld hatte Guaidó, entgegen dem heftigen Protest der venezolanischen Nationalversammlung, Rußland und China versichert, deren Investitionen in den venezolanischen Ölsektor nach einem Machtwechsel unangetastet zu lassen. 

„Auch Chinas Projekte in Venezuela waren betroffen von Korruption und Zahlungsausfällen“, plädierte Guaidó für eine effektivere Kooperation der beiden letzten hinter Maduro verbliebenen Großmächte mit seiner neuen Interimsregierung – und stieß damit auf positive Resonanz. 

Zwar scheint es weiter unwahrscheinlich, daß Moskau oder Peking sich den Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsberaters der Vereinigten Staaten, John Bolton, nach einem Exilgang Maduros „irgendwo an einen schönen Strand weit weg von Venezuela“ anschließen werden.

 Gleichwohl forderte zuletzt der russische Außenminister Sergei Lawrow zügige Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition in Venezuela als einzigem Ausweg aus der Krise, speziell bezüglich Maduros eigenem Schicksal. „Denn sonst“, so Lawrow im Vorfeld des OAS-Treffens, „wird es zu einem dieser Regimewechsel kommen, wie sie der Westen vielfach schon ausgeführt hatte“.