© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Nato bejubelt „historischen“ Erfolg auf dem Balkan
Sicherheitspolitik: Mit dem schnellen Beitritt Nord-Mazedoniens schließt das westliche Militärbündnis eine Lücke an der südlichen Flanke
Hans-Jürgen Georgi

Es kommt einem Parforceritt gleich, wie die Nato ein strategisch wichtiges Land auf dem Balkan genommen hat. Über 25 Jahre schien sich niemand ersthaft darum zu kümmern, den Namensstreit zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zu lösen. Doch plötzlich ging alles schnell. Skopje und Athen einigten sich Mitte Juni 2018 am Prespa-See auf den wenig einfallsreichen Namen „Nord-Mazedonien“.

Vergangene Woche jubelte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dann über den „historischen“ Schritt. Griechenlands Premier Alexis Tsipras und sein Amtskollege Zoran Zaev hätten eine „große strategische Vision und großen Mut“ bewiesen und damit einen „entscheidenden Beitrag zur Sicherheit und Stabilität in der Region geleistet“, so der Norweger. Keine Rede davon, daß zur Implementierung des neuen Namens in die mazedonische Verfassung die notwendige Zweidrittelmehrheit nur durch den Übertritt erpreßbar gewordener Oppositionsabgeordneter erreicht werden konnte. Ähnlich vollzog es sich Ende Januar in Athen (JF 6/19). 

Kurz darauf unterzeichneten die Ständigen Vertreter der 29 Mitglieder des Bündnisses im Brüsseler Nato-Hauptquartier das Beitrittsprotokoll mit der Republik Nord-Mazedonien.

Mit der Unterzeichnung des Nachfolgeprotokolls beginne nun der Ratifizierungsprozeß, erklärte Stoltenberg. „Ich bin zuversichtlich, daß dieser Prozeß reibungslos verläuft und wir Nord-Mazedonien bald als ordentliches Mitglied begrüßen können.“ 

Warum diese Eile und das nonchalante Übergehen des Volkswillens in beiden Ländern? Mit dem Beitritt Mazedoniens schließt die Nato eine geostrategisch wichtige Lücke. Verbunden damit ist der Wunsch, Rußlands Einfluß auf dem Balkan einzudämmen. Denn mit Mazedonien ist der Balkan fast gänzlich in der Hand der Nato, abgesehen von Serbien, das sich seit einer Parlamentsresolution im Jahr 2007 als militärisch neutral betrachtet. 

Serbien ist plötzlich von der Nato-Allianz eingekreist  

Dieses traditionell rußlandfreundliche Land, dessen Bevölkerung zu 68 Prozent eine Nato-Mitgliedschaft ablehnt, ist nun von Nato-Staaten umschlossen. Das hindert Rußland allerdings nicht daran, einen Anspruch auf die Region und speziell auf Serbien zu erheben. Vor seinem Besuch im Januar dieses Jahres betonte Präsident Wladimir Putin: „Im Moment hat Rußland viele Freunde hier, und unser strategischer Partner Serbien hält hier einen speziellen Platz.“

Nach Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls legte Moskau nach. Die „Euphorie“ zeige, daß es den „westlichen Kollegen“ bei der Förderung des Prespa-Abkommens nicht darum ging, das „alte regionale Problem zu lösen.“  Ziel sei lediglich gewesen, „schnellstmöglich, um jeden Preis, und unter Erpressung und Bestechung, ein weiteres Land in die Nato aufzunehmen.“ 

Vorteile werde Skopje vom Nato-Beitritt nicht erhalten, sondern nur  den Ruf Washingtons nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben und Teilnahme an den militärischen Operationen, die weit von den Interessen des mazedonischen Volkes seien, hieß es aus dem  Außenministerium in Moskau.

Abgesehen vom Kosovo, das zwar (noch) kein Nato-Mitglied ist, aber eine der größten Nato-Basen in Europa beherbergt, bleibt nur noch Bosnien-Herzegowina. Auch hier hat das Bündnis  nach jahrelangem Abwarten Ende 2018 ein letztes Kapitel vor den Beitrittsverhandlungen eröffnet. Allerdings stellt sich hier eine Hälfte des Staates, die Entität „Republika Srpska“, und das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, Milorad Dodik, einer Nato-Mitgliedschaft des Gesamtstaates entgegen. Unlängst stellte er klar, daß er zwar den Weg Bosnien-Herzegowinas in die EU unterstützen werde, nicht aber den in die Nato. Mit dem Rußlandfreund Dodik steht vor dem atlantischen Bündnis einer der letzten großen Widersacher gegen einen Nato-Balkan.