© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Brüssel und Washington torpedieren Erdgasleitung Nord Stream 2
Nicht in trockenen Tüchern
Arnulf Rall

Es sollte als Kompromiß für Deutschland verkauft werden. Doch in Wirklichkeit verlangen EU-Kommission und -Parlament jetzt gemeinsam, daß der Pipeline-Betreiber und der Gaslieferant auch in der Ostsee getrennt werden müssen. In anderen Worten: daß EU-Binnenmarktregeln für Nord Stream 2 Anwendung finden. Im EU-Rat ist Berlin völlig isoliert. Auch Frankreich, das über Engie an der Gaspipeline beteiligt ist, ist von Deutschlands Position abgerückt. Niemand kauft mehr Angela Merkels Mantra ab, das russische Erdgas-Projekt sei „rein wirtschaftlich“.

Es war immer hochpolitisch. Schon via Nord Stream 1 kommen 28,2 Prozent unseres Erdgases direkt aus Rußland. Die Abhängigkeit mag theoretisch gegenseitig sein, nicht aber im Winter bei Minusgraden und nach dem deutschen Kohleausstieg. Wladimir Putin hat Milliarden Euro an Röhren, die zur Umgehung des Transits (Ukraine, Weißrußland, Polen) gedacht waren, wohl vergebens auf 1.200 Kilometern in der Ostsee versenkt. Der Verkauf der Investition von Gazprom an Rosneft hilft nicht – beide Konzerne sind verbunden und gehören mehrheitlich dem russischen Staat. Die EU besteht auf Diversifizierung der Energiequellen, die der Energiewendeweltmeister sträflich auf Kosten seiner Nachbarn und zugunsten Rußlands vernachlässigt hat.

Es drohen Sanktionen des rußlandfeindlichen US-Kongresses gegen die Lieferanten und Betreiber. Die BASF-Tochter Wintershall ist im amerikanischem Fadenkreuz. Wie im Fall des Iran haben deutsche Firmen die „Wahl“ zwischen ihrem US- und ihrem Rußlandgeschäft. Das Erbe des Gazprom- und Rosneft-Aufsichtsrats Gerhard Schröder und seiner Helfer Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier wiegt schwer. Was bleibt, ist vermehrt LNG-Terminals (JF 30/18) zu bauen für teures Flüssigerdgas aus Katar, dem Mittelmeer um Zypern und den USA, die bislang ihr „Fracking“-Gas hauptsächlich nach Ostasien verkaufen, wo höhere Preise lockten. Donald Trump wird’s freuen.