© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Deutsche essen keine Donuts
JAB: Die kurpfälzische Unternehmerfamilie Reimann hat ihre Milliarden in die Konsumgüterbranche investiert
Marc Schmidt

Die wenigsten Deutschen kennen die Familie Reimann, obwohl diese laut Forbes ein zweistelliges Milliardenvermögen in der Größenordnung der Quandts, Albrechts oder Schaefflers besitzt. Dieses wird unter Einbeziehung weiterer Investoren in der Größenordnung eines Warren Buffett in Form weit verzweigter Beteiligungen in zahlreichen Tochterfirmen unter verschiedenen Strukturen (JAB Holding, Reimann Investors) gebündelt.

Milliardenzukäufe bei Lifestyle und Kaffee

Der gewünschte fehlende Bekanntheitsgrad der Familie fußt auf dem dezenten Auftreten bei Investitionen wie im Privatbereich und der Tatsache, daß die Strategie bei den industriellen Milliardengeschäften stets von den selben drei angestellten Managern erledigt worden ist. Diese schufen über Umwege aus dem ursprünglichen Familienunternehmen den britischen Konsumgüterriesen Reckitt Benckiser, organisierten die umfangreichen sozialen Aktivitäten der Stiftung und sorgten für einen steten Zuwachs von Marken und Beteiligungen in verschiedenen Schwerpunktbereichen.

So finden sich wohl in jedem deutschen, englischen oder US-Haushalt Produkte aus dem JAB-Imperium: Produkte der Firmen Wella, Calgon und Sagrotan. Hinzu kommen die Kaffee- und Teeprodukte aus dem Hause Jacobs Douwe Egberts, inklusive beliebter Kapseln wie Senseo und Tassimo. Bekannt, wenn auch beim Durchschnittsdeutschen seltener vertreten sind Luxusmarken wie Bally und Calvin Klein.

Voriges Jahr bekam die seit den 1980er Jahren anhaltende Erfolgsgeschichte des Managements jedoch erstmals Risse. Mit dem Parfüm- und Kosmetikkonzern Coty (1904 von dem späteren rechtsnationalen Aktivisten François Coty in Paris gegründet) und Krispy Kreme Doughnuts verbuchten zwei der Milliardenzukäufe in den Bereichen Lifestyle und Kaffee erstmals unterdurchschnittliche Performances.Der Aktienkurs der Coty-Holding von 77 Schönheitsmarken (von Adidas-Parfüm bis Wella Professionals) fiel um die Hälfte, was für Unruhe unter den erfolgsverwöhnten Kapitalgebern sorgte. Allein für den Aufstieg zu einer der größten Kaffeemarken der Welt wurden seitens JAB in den vergangenen Jahren 60 bis 70 Milliarden Euro investiert, von denen weniger als ein Drittel aus dem Kernvermögen der Familie Reimann stammten. Steigen die Renditeerwartungen anderer Milliardeninvestoren oder planen diese einen Verkauf, schlägt die Stimmung auf dem Kapitalmarkt sehr schnell auch gegen solide finanzierte Holdingstrukturen um.

Das Ungemach begann mit einem strategischen Zukauf: Wer einer der größten Kaffeeproduzenten ist, will nicht nur im Supermarkt, sondern auch direkt im Laden verkaufen. In Deutschland hat JAB deshalb 2017 die Balzac Coffee Company aus Hamburg übernommen. In die gleiche Richtung, wenn auch um ein Vielfaches größer, zielte die 1,35-Milliarden-Dollar-Übernahme der amerikanischen Doughnuts-Legende Krispy Kreme. 1937 gegründet – und damit älter als McDonald’s oder Burger King – gibt es derzeit über tausend Filialen, hauptsächlich in Amerika, Australien und England, aber auch in einigen asiatischen Ländern. Nach der Übernahme nahm JAB Krispy Kreme aus der Börsennotierung. Mit der Expansion dieser Marke in den internationalen Markt wollte JAB im Kaffeesegment eine Konkurrenz zu Starbucks aufbauen. Die Expansion in zentrale Märkte wie Deutschland scheiterte allerdings bereits nach der Eröffnung des ersten, kurze Zeit später wieder geschlossenen Krispy Kreme Shops bei Frankfurt im Oktober 2017.

Schlechtere Analystenbewertungen

Finanziell schmerzhafter als das Engagement in dem eigentlich als lukrativ angesehenen Kaffeemarkt dürfte die zuvor erfolgsverwöhnten Manager bei JAB die Entwicklung einer anderen Übernahme im amerikanischen Kaffeemarkt getroffen haben. Entgegen dem für alle Wettbewerber wachsenden Markt verlor die amerikanische JAB-Tochter Keurig erheblich an Marktanteilen. Dies geschah, obwohl durch die Übernahme des drittgrößten US-Getränkeherstellers Dr Pepper (7up, A&W Root Beer, Canada Dry, Schweppes, Sunkist) eigentlich über Vertriebssymbiosen Marktanteile gewonnen werden sollten.

Belastbare Zahlen zum US-Markt sind seitens JAB keine zu finden; es ist allerdings zu bezweifeln, daß ein aktueller Verkauf der beiden Marken die Investitionen von 13,9 Milliarden Euro in Keurig und in Krispy Kreme einspielen würde, wenn die unter Keurig angesiedelten Aktivitäten von Dr Pepper abgespalten würden. Stark zurückgehende Erntemengen hochwertiger Kaffeebohnen aus Südamerika mit der Folge steigender Rohstoffpreise erhöhen den Druck auf die JAB-Kaffeesparte weiter.

Auch im Kosmetikbereich unter der Coty-Holding verlief das Geschäftsjahr 2018 für JAB unerfreulich. Nach Schwierigkeiten, die neu erworbenen Marken wie Wella ins Portfolio zu integrieren, kam es aufgrund von Streiks bei Rohstoffzulieferern ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft zu starken Lieferschwierigkeiten bei Kosmetik und Parfums. Wettbewerber und Handel schätzen die Gewinneinbußen für JAB auf ebenfalls mehr als eine Milliarde Euro.

JAB reduzierte daraufhin sein Topmanagement von drei auf zwei Personen: Der 62jährige Holländer Bart Becht – einst als Reckitt-Benckiser-Chef bestbezahlter Manager in England – verließ im Januar die Reimann-Holding, gemäß Unternehmensaussagen freiwillig. An Bord bleiben der 72jährige Peter Harf und der 53jährige Olivier Goudet. Diese Entwicklung hatte sich abgezeichnet, da Becht zuvor bereits wichtige Aufsichtsratsmandate, etwa bei Coty, abgegeben hatte. Ob die personellen Konsequenzen allerdings ausreichen, um die inzwischen skeptischen Anleger von einer Wachstumsstrategie auf Basis weiterer Anleihen zu überzeugen, wird bezweifelt.

Bereits 2018 hatte JAB für Anleihen 0,5 Prozentpunkte mehr Verzinsung zusagen müssen als zuvor. Hinzu kommen schlechtere Analystenbewertungen. Es wird interessant sein, wie die verbleibende Führung diese Problemstellung lösen wird. Neue Akquisitionen werden in der Finanzierung wie bei der Verhandlung teurer, zugleich können nur Erfolge und die Beseitigung der jüngsten Managementfehler eine negative Spirale bei der auf Wachstum ausgerichteten Holding verhindern. Die Masse der deutschen Privatanleger wird davon wenig bemerken, da die Anleihenangebote der JAB angesichts der hohen Mindestzeichnungssummen eher für Familien der 2.124 Plätze umfassenden Forbes-Milliardärsliste von Interesse sind.





Die Milliardärsliste 2018 von Forbes

Global gesehen sind die reichsten Deutschen zweitklassig: Während Amazon-Gründer Jeff Bezos mit einem Vermögen von 112 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt, Bernard Arnault (72 Milliarden/Rang 4/Moët Hennessy Louis Vuitton) der reichste Europäer und Ma Huateng (45,3 Milliarden/Rang 17/ Tencent) der reichste Chinese ist, kommen die Aldi-Süd-Erben Beate Heister und Karl Albrecht mit umgerechnet 29,8 Milliarden Dollar auf der „World‘s Billionaires List 2018“ des US-Magazins Forbes nur auf Rang 27. Es folgen Georg Schaeffler (25,3 Milliarden/Rang 31/Autozulieferer), Susanne Klatten (25 Milliarden/Rang 32/BMW), Stefan Quandt (22 Milliarden/Rang 42/BMW), Dieter Schwarz (20,9 Milliarden/Rang 46/Lidl) und Theo Albrecht (20,2 Milliarden/Rang 48/Aldi Nord). Die Unternehmerdynastie Reimann (Wolfgang Reimann, Matthias Reimann-Andersen, Stefan Reimann-Andersen und Renate Reimann-Haas; je 4,4 Milliarden Dollar) zählt mit zusammen 17,6 Milliarden Dollar laut Forbes immerhin zu den zehn reichsten deutschen Familien.