© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Zeitschriftenkritik: Philosophie Magazin– Sonderausgabe „Das Böse“
Das dünne Eis der Zivilisation
Werner Olles

Die österreichische Pop-Rock-Band Erste Allgemeine Verunsicherung hat es schon lange gewußt: „Das Böse ist immer und überall“. Tatsächlich steckt jedoch in ihrem Erfolgstitel aus den 1980er Jahren mehr Wahrheit als uns lieb ist. So begann die Weltgeschichte mit einem Brüdermord, dem Mord Kains an Abel, setzte sich fort mit dem Kindermord von Bethlehem durch König Herodes, und nimmt man das „Schwarzbuch der Weltgeschichte“ zur Hand, dann wimmelt es dort von Massenausmordungen, Vertreibungen, Massakern und Völkermorden: von Dschingis Khan über die Französische und Russische Revolution, blutigen Bürger- und Religionskriegen, zwei Weltkriegen mit Abermillionen Opfern, Rassen- und Klassenmorden bis zu den Christenverfolgungen von heute. Dazwischen gab es die chinesische „Kulturrevolution“ mit Millionen Gefolterten und Ermordeten, Pol Pots mörderisches Regime in Kambodscha, das ein Drittel der Bevölkerung eliminierte, nicht zu vergessen die Vernichtungslager der Nationalsozialisten, den kommunistischen Gulag, den alliierten Bombenterror gegen zivile Ziele in Dresden, Hamburg, Pforzheim etc. und die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Zuletzt bewies der Islamische Staat, daß das Böse wohl unausrottbar ist.

Das Philosophie Magazin widmet sich dem Thema „Das Böse“ in einer Sonderausgabe, wobei gleich das Interview mit der US-amerikanischen Philosophin Susan Neiman zeigt, daß auch Philosophen Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ oft nicht verstanden haben. Wer den „Klimawandel“ und Donald Trump als das Böse schlechthin definiert und Hannah Arendt eine falsche Einschätzung Adolf Eichmanns unterstellt, hat kaum ein Recht ernst genommen zu werden.

Schwieriger wird es beim Kirchenlehrer Thomas von Aquin, der zwar „kein Wesen an sich“ als „schlecht“ bezeichnete, aber darauf bestand, daß die „Bosheit mit vollem Haß gehaßt werden soll“. Während Rousseau glaubte, daß der Mensch von Natur aus gut ist und „das menschliche Herz rein“, sah Kant im Menschen „einen natürlichen Hang zum Bösen“. Da trifft der Spätaufklärer sich mit dem Evangelisten Johannes, der verkündete: „Der Mensch ist von Jugend auf dem Bösen zugeneigt!“

Wie dünn das Eis der Zivilisation ist, wußte auch Sigmund Freud und sprach von der „angeborenen Neigung des Menschen zum ‘Bösen’, zur Aggression, Destruktion und damit auch zur Grausamkeit“. „Gar nichts ist gut“ befand auch Voltaire und sah eine „Welt des Jammers“ und eine „Erdenhölle“ um sich herum. Es war die Hoffnung der Aufklärung, daß die Vernunft den Menschen gut mache. Daß dem nicht so ist, behauptet Sebastian Fitzek, erfolgreicher Autor von Psychothrillern, der sich mit Serienmördern auskennt und die Realität noch viel grausamer als die Fiktion findet. Oft müsse er die Taten realer Personen sogar noch abmildern, damit sie geglaubt würden. Keine schönen Aussichten also!

Kontakt: Philosophie Magazin, Postfach 701311, 22013 Hamburg. Das Einzelhelft kostet 9,90 Euro. 

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