© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Alles begann mit einer simplen Idee
Hundesex und „Mein Kampf“: Drei US-Wissenschaftler entlarven Gender-Ideologie an Universitäten
Björn Harms

Als der US-amerikanische Philosoph Peter Boghossian Mitte Januar sein E-Mail-Postfach öffnete, konnte er es zunächst kaum glauben. Sein Arbeitgeber, die Portland State University (PSU), teilte ihm mit, daß die Ethikkommission eine Untersuchung wegen Forschungsfehlern gegen ihn eingeleitet hätte. Der Vorwurf: Boghossian habe gegen ethische Richtlinien verstoßen und massiv Daten gefälscht. Nun stehe sein Arbeitsplatz auf dem Spiel. Tatsächlich hatte der Assistenzprofessor gemeinsam mit zwei Freunden, dem Mathematiker James Lindsay und der Mediävistin Helen Pluckrose, ganze 20 wissenschaftliche Studien gefälscht. Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung der Universität also ihre Richtigkeit zu haben – auch auf den zweiten Blick?

Alles begann mit einer simplen Idee. Seit längerem schon ärgerten sich Boghossian, Lindsay und Pluckrose über die um sich greifende Korruption der Wissensproduktion in den Universitäten. Das Ausmaß an linksradikalem Schwachsinn, an Willkür und infantilem Unsinn, welches vor allem die Geisteswissenschaften befallen hat, war den dreien ein Dorn im Auge. Sie rätselten: Wie könnten wir es schaffen, den derzeitigen Zustand der Wissenschaft auf möglichst öffentlichkeitswirksame Weise zu entblößen? Kurzerhand erfanden sie einen Haufen Studien rund um das Thema Gender, täuschten Wissenschaftlichkeit vor und boten die Artikel einschlägigen sozialwissenschaftlichen Fachjournalen zur Publikation an. 

Sieben Beiträge von Zeitschriften angenommen

Von den 20 eingereichten Beiträgen, die alle den üblichen Peer-Review-Prozeß (Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet prüfen die Texte) durchliefen, wurden immerhin sieben akzeptiert – darunter eine Studie über eine in Parkanlagen beobachtete „Vergewaltigungskultur bei Hunden“, die im Mai 2018 in dem britischen Fachblatt Gender, Place & Culture erschien. Männern könne man wie Hunden Manieren antrainieren, um sexuellen Mißbrauch zu verhindern, lautete ein Resümee dieser Fake-Studie. Das einer weiteren: Männer könnten und sollten durch das anale Einführen von Gegenständen ihre Homo- und Transphobie verringern. Als vorläufigen Höhepunkt schrieben die drei Freunde Passagen aus Hitlers „Mein Kampf“ um, wobei sie lediglich einzelne Wörter durch feministische Kampfbegriffe ersetzten. Der Text wurde unwidersprochen von einer Zeitschrift für feministische Sozialarbeit angenommen.

Nachdem ihnen ein Journalist des Wall Street Journals auf die Schliche gekommen war, ließen die Forscher ihren Schwindel auffliegen. Die Empörung war groß. Etliche Professoren, nicht nur aus den blamierten Fachbereichen, beklagten den Mißbrauch wissenschaftlichen Vertrauens. Eine Gruppe von zwölf PSU-Professoren sah sich genötigt, in der Studentenzeitung Vanguard einen anonymen Brief zu veröffentlichen, in dem sie die „Hoax-Papers“ als „Selbstbeweihräucherung“ brandmarkten.

Bisweilen erinnerte der Coup der drei Wissenschaftler an die sogenannte Sokal-Affäre aus dem Jahr 1996. Damals hatte der Physiker Alan Sokal durch die Veröffentlichung eines Hoax-Artikels in der sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift Social Text eine heftige Kontroverse ausgelöst. Sokals Essay war in postmodernem Jargon formuliert und gab vor, die Quantengravitation als sprachliches und soziales Konstrukt zu deuten. Absichtlich hatte der Wissenschaftler massenhaft logische Fehler eingestreut, die den Redakteuren der Zeitschrift – sie hatten für die Schlußredaktion keine Physiker hinzugezogen – zu keinem Zeitpunkt auffielen.

Bücher werden mit Warnhinweisen versehen

Die Debatte um die Korruption in der Wissenschaft ist also keine neue. Doch während die Sokal-Affäre immerhin für Diskussionen innerhalb der Geisteswissenschaften sorgte, sieht die heutige Generation an Forschern die Boghossianische Bloßstellung als einen Angriff auf die gesamte Universitätswelt. Solidarität erfährt Boghossian nur von wenigen Akademikern. So schrieben etwa Alan Sokal selbst, die Psychologen Jordan B. Peterson und Jonathan Haidt sowie die Evolutionsbiologen Richard Dawkins und Bret Weinstein Unterstützerbriefe. 

„Die Ethikregeln wurden implementiert, um Korruption in der Wissenschaft zu verhindern“, wundert sich Haidt, Professor an der New York University, und einer der schärfsten Kritiker der geistigen Entwicklung an den amerikanischen Universitäten. „Boghossian hat nicht die Wissenschaft korrumpiert, sondern im Gegenteil, er hat Fehlentwicklungen aufgezeigt. Es war ganz sicher kein Betrug.“

In bestimmten akademischen Bereichen sei in den letzten Jahren einiges falsch gelaufen, bedauert der renommierte Psychologe. Es komme dort weniger darauf an, nach der Wahrheit zu suchen, als über vermeintliche soziale Mißstände und die Benachteiligung bestimmter Gruppen zu klagen. Das Glossar der Absurditäten ist dabei vielfältig. So prangern Studenten „Mikroagressionen“ an. Gemeint sind Bemerkungen oder Gesten, die gar nicht in der Absicht geäußert werden, jemanden zu diskriminieren, aber jemanden diskriminieren könnten. Universitäten sollen zu „Safe Spaces“ werden, also zu Orten, an denen Menschen, die sich als „marginalisiert oder diskriminiert“ ansehen, sicher und geborgen fühlen. Mehr als einhundert Hochschulen im nordamerikanischen Raum verfügen über stasiartige „Bias Response Teams“, die darauf abzielen, „eine sichere und integrative Umgebung“ zu fördern, indem sie „Unterstützung für jeden auf dem Campus anbieten, der einen Vorfall von Intoleranz erlebt oder beobachtet hat“. Einzelne Bücher werden mit „Trigger warnings“ versehen, die auf Textstellen aufmerksam machen, die junge Menschen verunsichern oder verstören könnten. Doch wie sollen Erwachsene im realen, oft unbarmherzigen Berufsleben zurechtkommen, fragt sich der 55jährige Haidt, wenn sie als Studenten in Watte gepackt werden? Was unmittelbar zur nächsten Frage führt. Wann hat der ganze Irrsinn eigentlich angefangen?

„Eine ganze Bandbreite von neuen Ideen zu Sprache, Gewalt oder Sicherheit ist in den letzten Jahren auf der Linken aufgetaucht“, erklärt Haidt in seinem Buch „Die Verweichlichung des amerikanischen Geistes“, erschienen im September 2018. „Aber alles begann 2014“, ist er sich sicher. Zu diesem Zeitpunkt seien unterschiedliche Faktoren aufeinander- getroffen und in einer Art Hypermoral kulminiert.

Zunächst habe sich die politische Auseinandersetzung zwischen Links und Rechts seit den 1990er Jahren kontinuierlich zugespitzt – und zwar zu einer Zeit, in der sich die ideologische Ausrichtung der Universitäten dramatisch nach links verschob. Zudem stieg seit 2011, unter anderem durch die häufige Nutzung von Smartphones und anderen elektronischen Geräten, die Depressionsrate bei Jugendlichen (siehe Graphik). Mädchen seien davon in besonderem Maße betroffen. Diese fragile Generation fühle sich von der Sicherheit, die eine „Kultur des Schutzes“ vermeintlich böte, förmlich angezogen.

Ähnlich verhält es sich mit den Folgen veränderter Erziehungsmethoden. Gerade Familien weißer und asiatischer Ober- und Mittelschichten würden häufig genug zu „Helikopter-Eltern“ mutieren. Ihre Paranoia unterbinde es, daß Kinder natürliche Risiken eingingen. Daran anschließend nennt Haidt den „Verlust des freien Spiels“, das Kindern helfe, Problemlösungen bei Streitigkeiten zu entwickeln.

Problematisch sei weiterhin die Ausdehnung der Bürokratie auf dem Campus. Einige neue Regularien, geschaffen um „emotionales Unbehagen bei Studenten zu vermeiden“, würden die freie Rede beschneiden und so in der Konsequenz „die Fähigkeit der jungen Menschen beeinträchtigen, Konflikte während und nach ihrem Studium selbstständig zu lösen“, schreibt Haidt. 

Und schließlich sei da noch die Suche nach der allumfassenden sozialen Gerechtigkeit. So werde etwa ein ungleiches Einkommen fälschlicherweise mit Ungerechtigkeit gleichgesetzt, Korrelation in vielen Fällen mit Kausalität verwechselt. Die Gruppenzugehörigkeit  (Schwarz, Weiß, Latino etc.) spiele wieder eine Rolle.

In der Realität kann das dann zu Ausmaßen führen, wie sie Lindsay Shepherd erlebt hat. Die 25jährige Kulturwissenschaftlerin arbeitete im November 2017 als Lehrassistentin an der Wilfrid-Lau-rier-Universität im kanadischen Ontario. Mit ihrer Klasse schaute sie ein Video des Psychologen Jordan B. Peterson, in der dieser seine Antipathie verteidigte, neben „er“, „sie“ und „es“ ausgedachte, geschlechtsneutrale Pronomen zu verwenden. Anschließend stellte sie das Gesehene zur Diskussion. So weit, so banal. Doch schon am nächsten Tag lud die Universität Shepherd zu einer Art „Inquisition“. 

Klage wegen Hitler-Vergleich

Vor ihr saßen Professor Nathan Rambukkana, unter dem Shepherd arbeitete, Herbert Pimlott, ein Programmkoordinator, und Adria Joel, Universitätsbeauftragte für Vielfalt und Gleichheit. Der Vorwurf: Das Video des „Rechtsextremisten“ Jordan B. Peterson erzeuge ein „toxisches Klima“. Videos von ihm zu zeigen, sei genauso schlimm wie eine Rede von Hitler zu präsentieren. Das könne den Studenten nicht zugemutet werden. Es habe haufenweise Beschwerden gegeben (die es, wie sich später herausstellte, nie gegeben hatte). Dabei setzten sie die junge Frau derartig unter Druck, daß sie – während sie sich verzweifelt versuchte, argumentativ zu rechtfertigen – in Tränen ausbrach. 

Shepherd jedoch zeichnete das Gespräch heimlich auf, veröffentlichte es und sorgte damit für eine breite öffentliche Debatte über Meinungsfreiheit in Kanada. Jordan B. Peterson reichte aufgrund des Hitler-Vergleichs sogleich eine 1,5-Millionen-Dollar-Klage gegen Rambukkana, Pimlott und Joel ein. Im Dezember vergangenen Jahres folgte die Retourkutsche. Rambukkana und Pimlott klagen nun gegen Shepherd. „Sie versuchen, die möglichen Kosten der Verleumdungsklage von Jordan Peterson auf mich abzuwälzen“, erklärt Shepherd im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Das heißt, wenn das Gericht bestätigt, daß Peterson zu Unrecht diffamiert wurde, sei es meine Schuld, da ich das Gespräch aufgezeichnet habe.“ 

Man mag derartige Situationen als Absurdität abtun. Doch an den Universitäten nimmt der Kulturkampf längst ungeahnte Ausmaße an. Zwar seien „die radikalen Linken noch eine Minderheit“, gibt Shepherd gegenüber der JF zu bedenken. Die meisten Studenten seien eben recht teilnahmslos und unengagiert. „Dennoch“, warnt Shepherd mit eindringlichen Worten, „der Einfluß der Radikalen wird weiter wachsen.“

 Interview Seite 3

Greg Lukianoff / Jonathan Haidt: The Coddling of the American Mind: How Good Intentions and Bad Ideas Are Setting Up a Generation for Failure. Penguin Press, 2018, gebunden, 352 Seiten, 16,89 Euro