© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/19 / 15. Februar 2019

Entkoffeinierter Kaffee
Linke Wortmeldung zu „Marx von rechts“
Thomas Löhlein

Die „Diskurspiraterie der Neuen Rechten“, die auf Karl Marx zugreift, scheint die restlinke Intelligenz doch heftig umzutreiben. So disputiert sie in ihrem Zentralorgan Das Argument (329-2018) seit 2017 darüber, wie mit einer Kapitalismuskritik von rechts umzugehen ist. Zuletzt, in seiner Auseinandersetzung mit dem als zu „verständnisvoll“ kritisierten Politologen Thomas Wagner („Die Angstmacher“, 2017), dekretierte Richard Gebhardt kurzerhand, Theorien rechter Anti-Kapitalisten fehle „jedwedes progressive Element“, so daß sich die Beschäftigung mit ihnen nicht weiter lohne (JF 41/18).

Ein Blitzurteil, das den Argument-Herausgeber Wolfgang Fritz Haug, den mittlerweile 82jährigen Nestor des deutschen Neomarxismus, nicht befriedigt. Er knöpft sich daher nochmals den von Wagner und Gebhardt traktierten Benedikt Kaiser (Institut für Staatspolitik) vor, um diesen „analytischen Kopf“ (Wagner) und „Stichwortgeber des Björn-Höcke-Flügels der AfD“ (Gebhardt) definitiv zu erledigen. 

Anlaß ist ein von Kaiser, Alain de Benoist und Diego Fusaro verfaßtes Bändchen „Marx von rechts“ (JF 4/19), das den Begründer des historisch-dialektischen Materialismus den Klauen der „hundertprozentigen Verrat an Marx und Gramsci“ übenden Linken entreißen will, die vor allem in der Migrationsfrage eng mit den vom Freihandel mit Menschen als Waren „grenzenlos“ begeisterten Globalisten kooperiere. Mittlerweile sei die Fusion aus linkem Überbau (Politik, Medien, „Zivilgesellschaft“) und kapitalistischer Basis vollzogen. 

Haug beklagt, daß Kaiser auch seine Schriften über den „Hightech-Kapitalismus“ als „Steinbruch“ nutze und bedauert, ihm mit der These, ein „historisch gehaltvoller Konservatismus“ verhalte sich zum „Marktfundamentalismus wie Wasser zu Feuer“, dabei zur Hand zu gehen, den CDU-hörigen „Status- und Besitzkonservatismus für die rechtskonservative Revolution aufzusprengen“. Gerade weil Haug von der Richtigkeit seines Befunds überzeugt ist, der bundesrepublikanische Konservatismus sei nicht wahrhaft oppositionell, sondern stabilisiere nur das „herrschende liberal-kapitalistische Regime“, fürchtet er die „Ausstrahlungskraft“ dieser „Entwendung“ im radikalkonservativen Lager. Beruhigt sich dann aber mit der Feststellung, Kaiser serviere entkoffeinierten Kaffee, weil er bei Marx nur die Außenhaut des Werkes ritze, wo er nicht auf die Idee des nötigen „globalen Staatsstreichs“ (Alain de Benoist) käme.